Rheda-Wiedenbrück. Die AfD in Nordrhein-Westfalen soll getrickst haben bei der Kandidaten-Kür für die Wahlen 2017. Am Samstag kam es zum Schlagabtausch.
- öffentlicher Streit um Spaltung der Partei in NRW
- Skandal um geheime Absprachen für Listenplätze
- Parteimitglied: „Haben ein Niveau erreicht, das geht gar nicht mehr“
Der Machtkampf der AfD wird nicht nur auf der Berliner Bühne, sondern auch in einer kleinen Konferenzhalle irgendwo in Ostwestfalen ausgetragen. Denn der öffentliche Streit um die Spaltung der Partei in Nordrhein-Westfalen dürfte seine Spuren auch jenseits des größten AfD-Parteiverbandes hinterlassen.
Im Zentrum der Auseinandersetzung um die möglichen Tricks und Mauscheleien bei einer Listenwahl zur Landtagswahl wehrt sich NRW-Parteichef Marcus Pretzell gegen die Vorwürfe seiner parteiinternen Kritiker. Bei der dritten Landeswahlversammlung in Rheda-Wiedenbrück steht der Lebensgefährte der Bundesvorsitzenden Frauke Petry mit dem Rücken zur Wand. Muss er eine Niederlage einstecken, könnte auch Petry scheitern, als deren engster Vertrauter Pretzell gilt.
Aufgeheizte Stimmung
Die Stimmung ist aufgeheizt. Von „Heuchelei“ und einem „Vernichtungsfeldzug“ ist ebenso die Rede wie von „Machtcliquenpolitik“ und dem Ende der Partei. Müssen die ersten beiden Listenwahlen in Werl und Soest wiederholt werden, weil es nach Recherchen des „Stern“ Absprachen in geheimen Chat-Gruppen gegeben haben soll? Und ist die derzeitige Liste mit den ersten zwei Dutzend Kandidaten überhaupt gültig, weil bei einem Wahlgang fünf übrig gebliebene Stimmen vernichtet worden sein sollen?
Natürlich, sagt Pretzell. Juristisch seien sowohl die Absprachen als auch die vernichteten Stimmen nicht relevant. Unterbrochen von Protesten und hämischem Gelächter sprach Pretzell von „mindestens Schönheitsfehlern“. Zwar sollen die Mitglieder der umstrittenen „WhatsApp“-Gruppe, von deren Chat rund 80 Seiten veröffentlicht wurden, dem Landeschef Marcus Pretzell nahestehen. Pretzell selbst will aber nicht dazu gehört haben.
„Wir sind dabei, uns als Partei selbst aufzulösen“
Deutliche Worte findet ein Parteimitglied aus Düsseldorf: „Wir haben ein Niveau erreicht, das geht wirklich gar nicht mehr“, sagt er. „Wir sind dabei, uns als Partei selbst aufzulösen. Es geht hier einer kleinen Clique darum, sich schön finanziell abzusichern.“ Sein Co-Vorsitzender Martin Renner, ein parteiinterner Gegner Pretzells, argumentiert vorsichtiger: Er fordert eine Partei, in der alle Gruppierungen in einem Konsens zusammengeführt werden.
Auch nach mehreren Stunden streitet die Partei über Paragrafen und Neuwahlen, über ein Verlegen der Listenwahl und über juristische Hürden. Von Kandidaten und Wahlgängen keine Spur. Dabei drängt die Zeit. Denn die AfD hat nur noch wenige Monate Zeit für die aufwendigen Listenwahlen.
Antritt zur Landtagswahl in Gefahr
Bis zum 27. März müssen ihm alle Parteien ihre Landeslisten vorlegen, wenn sie an der Landtagswahl am 14. Mai antreten wollen. Sollte die AfD Teile der Listenkandidaten neu wählen und dazu wieder alle Delegierten zusammenrufen müssen, könnte es knapp werden. Und der Landeswahlleiter wird sich erst einschalten und abwägen, wenn die Liste vorliegt. Ein Delegierter zeichnet in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ das Worst-Case-Szenario: Die AfD bringt eine ordnungsgemäße Liste nicht fristgerecht zustande und tritt zur NRW-Landtagswahl nicht an.
Besonders aufmerksam dürften die Ereignisse in Thüringen und Brandenburg beobachtet werden: Denn mit bissiger Kritik hatten der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke und Vize-Bundeschef Alexander Gauland auf die Zustände in NRW reagiert. Beide sind Gegner Pretzells und dürften ihren Angriff vor allem gegen dessen Lebensgefährtin, die Bundesvorsitzenden Frauke Petry, gerichtet haben. (dpa)