Berlin.

Am Tag danach fragt sich die große Koalition, was sie da eigentlich beschlossen hat. Ihre führenden Köpfe hatten am Donnerstagabend im Kanzleramt zusammengesessen und einige kleinere Löcher auf der Renten-Baustelle geschlossen. Doch dann kommt am Freitag die nicht unwichtige Frage auf, wer die Rechnungen für die Beschlüsse zahlen soll. Die Rentenkasse? Der Finanzminister? Eilige Nachverhandlungen bringen keine Lösung. Darauf hat sich die Koalition bisher geeinigt:

Ost- und Westrenten

Ab 2025 soll in Deutschland ein einheitliches Rentenrecht gelten. Für die vier Millionen Rentner im Osten bedeutet das: Ihre Renten steigen deutlich. In sieben Schritten werden ihre Rentenwerte stärker angehoben als von der Lohnentwicklung vorgegeben. Gleichzeitig mit der Angleichung der Punktwerte läuft eine Regelung langsam aus, mit dem Ost-Arbeitnehmer bisher für das gleiche Geld mehr Rentenpunkte sammeln konnten als ihre West-Kollegen. Unklar ist, ob die 3,9 Milliarden Euro, die das insgesamt kosten wird, aus der Rentenkasse oder dem Bundeshaushalt bezahlt werden.

Erwerbsminderungsrente

Für Arbeitnehmer, die künftig aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben ausscheiden, gibt es mehr Erwerbsminderungsrente. Bis 2024 wird die sogenannte „Zurechnungszeit“ von 62 auf 65 Jahre erhöht. Frührentner werden dann so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet hätten. Dadurch steigt ihre monatliche Rente – Betroffene haben dadurch im Durchschnitt 50 Euro mehr im Monat.

Betriebsrenten

Die betriebliche Altersvorsorge als zweite Säule neben der gesetzlichen Rentenversicherung soll gestärkt werden. Ein Gesetzentwurf von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD), auf den sie sich mit Gewerkschaften und Arbeitgebern wie auch dem Finanzministerium verständigt hat, soll rasch vom Kabinett gebilligt und vom Bundestag verabschiedet werden. Arbeitgeber erhalten einen staatlichen Zuschuss von 72 bis 144 Euro, wenn sie für Geringverdiener mit Einkommen bis zu 2000 Euro 240 bis 480 Euro jährlich in die betriebliche ­Altersvorsorge einzahlen. Im Rahmen von Tarifverträgen soll es möglich sein, Betriebsrenten ohne Haftung der ­Arbeitgeber zu vereinbaren. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sehen sich bislang mit dem gesetzlich vorgegebenen Haftungsrisiko überfordert.

Riester-Rente

Auch bei der dritten Säule, der geförderten privaten Vorsorge nach dem Riester-Modell, gibt es Änderungen. Die staatliche Grundzulage soll von 154 auf 165 Euro steigen. Im Juni 2016 gab es 16,5 Millionen Riester-Verträge. Auch soll ein einfaches Standard-Produkt eingeführt werden, weil das Vertrauen in diese Vorsorgeform sinkt und die Zahl der Vertragsabschlüsse stagniert.

Grundsicherung

Der Anreiz für Geringverdiener, privat oder betrieblich vorzusorgen, soll durch Freibeträge erhöht werden. Wer im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein sollte, soll den Plänen zufolge künftig dennoch bis zu 200 Euro monatlich von seiner Betriebs- oder Riester-Rente behalten können.

Alle die genannten Punkte sind auch Teil des Rentenkonzepts, das Nahles am Freitag vorgelegt hat. Es enthält auch viele Vorschläge zur Stabilisierung der Rentenversicherung, die mit den Unionsparteien nicht zu machen sind. Dazu gehört, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2045 nicht unter 46 Prozent fällt. Der Beitragssatz (derzeit liegt er bei 18,7 Prozent) soll bei 25 Prozent gestoppt ­werden. Dazu will Nahles die Rente stärker aus Steuern finanzieren. Zur Bekämpfung von Altersarmut sollen langjährige Beitragszahler, die nur Mini-Renten beziehen, eine Solidarrente außerhalb der Rentenkasse erhalten. Schließlich will Nahles Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.