Berlin. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will Gewalt gegen Sicherheitskräfte eindämmen. Wohnungseinbrecher sollen härter bestraft werden.
Bis Weihnachten will Heiko Maas wichtige Gesetzesvorhaben vorantreiben. Da kommt es ungelegen, dass sich der Justizminister in der „Rent-a-Sozi“-Affäre wiederfindet. Es geht um Gespräche mit SPD-Spitzenpolitikern, die von Lobbyisten gesponsert wurden.
Herr Minister, die SPD ist in den Verdacht geraten, mehrere Tausend Euro zu nehmen für Begegnungen mit Spitzenpolitikern – auch mit Ihnen. Warum haben Sie an solchen Treffen teilgenommen?
Heiko Maas: Die Geschäftspraktiken der Agentur kannten wir nicht. Sie sind in vollem Umfang inakzeptabel. Das muss sofort beendet werden. Sponsoring ist immer dann besonders problematisch, wenn es nicht transparent ist.
War das Vorgehen der SPD-eigenen Kommunikationsagentur auch rechtlich zweifelhaft?
Unabhängig davon, dass die Bundestagsverwaltung keine Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß sieht: Es darf nicht der Eindruck entstehen, mit Sponsoring-Leistungen wird der Zugang zu Amtsträgern, Abgeordneten oder Parteifunktionären „erkauft“.
Müssen Schlupflöcher in den Regeln zur Parteienfinanzierung geschlossen werden?
Die Vorschläge der SPD für eine Änderung im Parteiengesetz liegen schon lange auf dem Tisch. Wir wollen für mehr Transparenz sorgen. Konkret: Einnahmen durch Sponsoring sollten in einer gesonderten Rubrik im Rechenschaftsbericht auftauchen. Dann wären die Beiträge von Sponsoren klarer erkennbar und nicht bei anderen Ausgaben mit abgebildet. Wir sind bislang leider immer daran gescheitert, dass die Union keine Änderung wollte.
Sie sind als Hoffnungsträger gestartet, jetzt lauten die Schlagzeilen „Das Maas ist voll“ oder „Murks nach Maas“. Was ist schiefgelaufen?
Na ja, die Kunst der Zuspitzung gehört eben immer dazu, wenn Schlagzeilen gemacht werden – sowohl negative als auch positive. Das beschäftigt mich aber kaum. Denn vieles ist Theater und hat mit der Realität eher wenig zu tun. Es ist es weder alles so toll noch so ganz schlimm, wie es manchmal dargestellt wird. Ich werde weiter das betreiben, was ich für richtig halte. Rechtspolitik ist für mich Gesellschaftspolitik. Ich bin Verfassungsminister und nicht der Vorsitzende der juristischen Berufsgenossenschaft. Und: Wenn Rechtspopulisten an den Grundfesten unserer Demokratie rütteln, ist es die Aufgabe eines Verfassungsministers, unsere im Grundgesetz verankerten Werte laut und deutlich zu verteidigen. Das werde ich auch in Zukunft tun.
Zuletzt hat Ihr Vorhaben, Kinderehen in Deutschland nicht generell zu verbieten, für Aufsehen gesorgt. Was planen Sie genau?
Unsere Linie war immer klar: In Deutschland darf es keine Kinderehen geben. Wir müssen die derzeitige Rechtslage deutlich verschärfen. Mir geht es darum, dass im Ausland geschlossene Ehen von Kindern nach deutschem Recht nicht anerkannt werden – und zwar umfassender und schneller als bisher. Heiraten darf grundsätzlich erst, wer 18 Jahre ist. Ich will durchsetzen, dass Eheschließungen, bei denen ein Partner unter 16 Jahre alt ist, in Deutschland von vornherein unwirksam sind.
Die Altersgrenze soll nicht bei 18 Jahren liegen?
Doch. Auch Ehen in der Gruppe der 16- bis 18-Jährigen sollen im Grundsatz nicht anerkannt werden. In diesen Fällen kann aber in ganz besonderen Härtefällen eine Einzelfallprüfung sinnvoll sein. Wenn zum Beispiel eine Frau mit 17 Jahren in den USA geheiratet hat, später drei Kinder bekommen hat, zwanzig Jahre lang eine glückliche Ehe geführt hat und dann mit ihrem Mann nach Deutschland zieht, sehe ich wenig Gründe dafür, warum wir diese Ehe zwingend für null und nichtig erklären sollten. Ganz wichtig ist mir: Bei jeder Entscheidung muss immer das Wohl der betroffenen Frau im Mittelpunkt stehen.
Die AfD macht sich solche Diskussionen zunutze. Sie profitiert auch davon, dass sich viele Bürger unsicher fühlen – nicht zuletzt wegen der zunehmenden Wohnungseinbrüche. Ist die Politik dagegen machtlos?
Nein. Wohnungseinbruchsdiebstähle sind Straftaten, die in die Intimsphäre der Menschen eindringen – und bei den Opfern traumatische Folgen haben können. Wir müssen alles tun, um die Menschen in ihren eigenen vier Wänden so gut wie möglich zu schützen. Dazu gehört auch: Wohnungseinbrüche sollen in Zukunft härter bestraft werden. Ich bin dafür, dass es bei Einbruchsdiebstählen im Strafrecht keine „minder schweren“ Fälle mehr gibt. Das bedeutet: In Zukunft wird jeder Wohnungseinbruchsdiebstahl eine Mindeststrafe von sechs Monaten zur Folge haben. Diese Untergrenze darf dann in keinem einzigen Fall mehr unterschritten werden.
Andere fordern eine Mindeststrafe von einem Jahr ...
Die Streichung des „minder schweren“ Falls ist das, was wir vorschlagen. Einbruchsdiebstähle können dann mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden. Noch vor Weihnachten werden wir einen Gesetzentwurf vorlegen.
Nur 15 Prozent aller Einbrüche werden aufgeklärt, drei Prozent der Täter verurteilt. Reicht da ein neues Gesetz?
Nein. Wir müssen dringend die Aufklärungsquoten erhöhen und die Täter möglichst schnell zur Rechenschaft ziehen, damit sie nicht monatelang ihr Unwesen treiben. Dazu benötigen wir deutlich mehr Polizisten. Schon 2016 haben wir 3000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen, mit dem Bundeshaushalt 2017 werden weitere 2000 hinzugekommen. Und: Wir wollen Eigentümer und Mieter durch mehr staatliche Zuschüsse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziell unterstützen, die in einen besseren Einbruchschutz ihrer Wohnung investieren – etwa durch Alarmanlagen.
Immer öfter werden auch Polizisten tätlich angegriffen. Was unternimmt der Staat?
Die Zahl der tätlichen Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte steigt. Polizisten werden alltäglich brutal attackiert, ob von rechten Reichsbürgern oder linken Autonomen, auch mit Waffen. Das ist völlig inakzeptabel. Alle Einsatzkräfte riskieren Gesundheit und Leben, um unseren Rechtsstaat zu verteidigen und anderen zu helfen. Dafür haben sie unsere Wertschätzung und unsere Unterstützung verdient. Es ist höchste Zeit, Polizisten wirkungsvoller zu schützen. Tätliche Angriffe müssen besser erfasst und härter bestraft werden. Dafür brauchen wir einen neuen Tatbestand im Strafrecht, der Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute betrifft. Wir wollen sie nicht nur bei Vollstreckungshandlungen, sondern in ihrem gesamten Dienst schützen. Auch wer täglich Streife geht oder in der Amtsstube seinen Dienst verrichtet, hat mehr Respekt verdient.
Welche Strafe droht Gewalttätern?
Wir werden tätliche Angriffe gegen Polizisten und Rettungskräfte in Zukunft härter sanktionieren. In besonders schweren Fällen soll es eine Mindeststrafe von sechs Monaten geben. Was darunter zu verstehen ist, wollen wir deutlich ausweiten. Wenn ein tätlicher Angriff – etwa bei Demonstrationen – gemeinschaftlich von mehreren Personen verübt wird, soll dies als besonders schwerer Fall gewertet werden. Ebenso, wenn ein Angreifer eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeuge mit sich führt – egal, ob er sie auch einsetzen will. Einen Entwurf des Gesetzes werden wir noch in diesem Jahr auf den Weg bringen.
Wie lange kann sich die SPD noch Zeit lassen, einen Herausforderer von Kanzlerin Merkel zu finden?
Wir haben unseren eigenen Zeitplan und wollen uns im Januar festlegen. Wir lassen uns da nicht unter Druck setzen.
Soll kandidieren, wer die besten Chancen hat?
Der Parteivorsitzende hat den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur. Ich halte es für richtig, dass an diesem Grundsatz nicht gerüttelt wird.
Eine Umfrage für diese Zeitung ergab: 42 Prozent halten eine Kandidatur des scheidenden EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz für aussichtsreicher, 35 Prozent sind für Parteichef Sigmar Gabriel. Fließt das ein in die Entscheidungsfindung?
Martin Schulz ist ein ausgewiesener Europapolitiker und ein durch und durch anständiger Kerl. Er wird nicht nur in der SPD zu Recht sehr geschätzt. Er wird uns mit allem, was er einbringt, sehr helfen. Unabhängig davon: Keine Partei wäre gut beraten, die Benennung des Kanzlerkandidaten allein den Demoskopen zu überlassen. Ich erinnere an die Zahlen bei der Kandidatur von Peer Steinbrück. Nichts von dem, was uns Meinungsforscher nahegelegt haben, hat sich bewahrheitet.