Paris.

Er war der Außenseiter, den weder die Medien noch die Meinungsforscher auf der Rechnung hatten. Doch vier Millionen Franzosen, die am Sonntag an der ersten Runde der Vorwahl der bürgerlichen Partei Die Republikaner (LR) teilnahmen, haben François Fillon quasi über Nacht in die Rolle des aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentenwahlen 2017 katapultiert. Mit 44 Prozent der abgegebenen Stimmen fuhr der 62 Jahre alte Ex-Premierminister einen Erdrutschsieg ein. Dem Sieger der konservativen Vorwahlen werden gute Chancen für die Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr ausgerechnet. Die Schlüsselfrage ist, wer dann in der Lage ist, der Rechtspopulistin Marine Le Pen (48) vom Front National (FN) die Stirn zu bieten. Geschlagen geben musste sich nicht nur der seit Monaten als Favorit hoch gehandelte frühere Regierungschef Alain Juppé (28 Prozent), sondern mit Nicolas Sarkozy (21 Prozent) auch dessen angeblich schärfster Widersacher. Für den Ex-Präsidenten bedeutet dieser dritte Platz das Ende seines Traums von einer Rückeroberung des Élysée-Palastes, er kündigte noch am Sonntagabend seinen Rückzug aus der Politik an. „Ich werde mich jetzt mehr meinen privaten als meinen politischen Leidenschaften widmen“, erklärte er und schloss mit einem Adieu: „Alles Gute für Frankreich!“

Fillon spricht aucheher linke Wähler an

In die Stichwahl gegen Juppé am kommenden Sonntag geht Fillon nicht nur mit einem haushohen Vorsprung, sondern mit einer höchstwahrscheinlich vorentscheidenden Wahlempfehlung. Für viele überraschend stellte sich Sarkozy hinter den Mann, der ihm zwar fünf Jahre lang als Regierungschef treu diente, den er aber wie einen besseren Laufburschen behandelt hatte. Fillons Programm, so Sarkozy, passe am besten zu den Herausforderungen, vor die sich Frankreich gestellt sehe.

Wäre da nicht die tiefe Abneigung, die sich Fillon und Sarkozy seit der Abwahl des Ex-Präsidenten entgegenbringen, müsste die Wahlempfehlung des großen Verlierers als logisch angesehen werden. Beide sind im Gegensatz zu dem gemäßigteren Juppé stramme Konservative. Wobei Fillon Frankreich eine regelrechte Rosskur verordnen will. Er verspricht, innerhalb von fünf Jahren eine halbe Million Beamtenstellen abzubauen, die Wochenarbeitszeit von 35 auf 39 Stunden zu erhöhen, die Sozialabgaben und Steuern der Unternehmen drastisch zu senken, das Rentenalter von 62 auf 65 Jahre anzuheben und das Arbeitslosengeld empfindlich zu kürzen.

Sechs Ministerposten versah er, bevor ihn Sarkozy zum Regierungschef berief. Noch 2012, als er als Premier zurücktreten musste, galt er als der populärste Konservative des Landes.

Aber obwohl Fillon geschätzt wird, hatte er es bislang nie zur Nummer 1 gebracht. Weder gelang es ihm, als Regierungschef aus Sarkozys Schatten zu treten, noch glückte 2012 sein Griff nach dem Vorsitz der konservativen Partei. Ihm hing der Ruf an, einfach ein wenig zu bieder zu sein für die Rolle des Chefs.

Die unerwartet hohe Wahlbeteiligung dürfte Fillon ebenso zugutegekommen sein wie der Umstand, dass auch viele Linkswähler an die Urnen drängten. Für diese aber ist der „Saubermann“ Fillon geradezu das Gegenbild des ihnen zutiefst verhassten und durch Affären belasteten Draufgängers Sarkozy.

Ob neben dem konservativen Kandidaten auch der schwer angeschlagene sozialistische Amtsinhaber François Hollande noch einmal antritt, ist weiter unklar. Als sicher gilt, dass die FN-Chefin Le Pen bei der Stichwahl ums Präsidentenamt antritt. Sie sieht sich nach dem Votum der Briten für einen EU-Austritt und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im Aufwind. In Frankreich drücken Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und die als unglücklich empfundene Amtsführung Hollandes richtig auf die Stimmung. Das dürfte bei den Rechtsextremen für weiteren Zulauf sorgen.