Berlin. .

Sie habe „unendlich“ darüber nachgedacht, sagt Angela Merkel. Doch in „überaus schwierigen Zeiten, man kann auch sagen, in unsicheren Zeiten“ hat sich Merkel entschieden und damit getan, was alle seit Wochen erwarten: Angela Merkel will 2017 noch einmal Kanzlerin werden. Wird sie gewählt, dürfte es ihre komplizierteste Amtszeit werden: Nicht nur in Deutschland setzen die Rechtspopulisten die Parteien der Mitte unter Druck. Überall in Europa streben Rechte an die Macht – und in den USA regiert bald Donald Trump. Merkel wäre die mächtigste Frau der Welt, aber auch einsamer als heute.

Sie weiß das. Und sie rechnet mit einem Wahlkampf, der schwieriger werde als alle bisherigen, mit „Anfeindungen von rechts, Anfechtungen von links“.

Zwei Wochen vor dem CDU-Bundesparteitag in Essen ist damit klar: Es wird ein Krönungsparteitag. Merkel will sich als Parteichefin wiederwählen lassen und die Union als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf führen. Doch die Partei steht schon lange nicht mehr so euphorisch hinter ihrer Vorsitzenden wie zu Zeiten, als Merkel stets Erfolge einfuhr und mit ihrer Beliebtheit alle Zweifel an ihrem Kurs vom Tisch wischen konnte. Auf dem Weg von Helmut Kohls „Mädchen“ zur einflussreichsten Politikerin der Welt hat Merkel der Union mehr zugemutet, als vielen lieb ist.

Die erste Frau an der CDU-Spitze, die erste Kanzlerin der Bundesrepublik: Seit 16 Jahren ist die Ostdeutsche nun CDU-Chefin, elf Jahre davon als Kanzlerin. In den 90er-Jahren war Merkel Frauen- und Umweltministerin unter CDU-Kanzler Helmut Kohl. In der Parteispendenaffäre rückte sie jedoch von ihm ab, wurde im Jahr 2000 zur Parteivorsitzenden gewählt und führte die CDU erfolgreich in die Nach-Kohl-Ära. Fünf Jahre später zog Merkel als Chefin einer rot-schwarzen Koalition ins Kanzleramt. Sie war 51 Jahre alt – und damit jünger als alle ihre Vorgänger. Die Koalitionspartner wechselten – 2009 war es die FDP, 2013 wieder die SPD –, doch Merkel blieb im Kanzleramt.

Merkel hat die CDU modernisiert und weiter nach links gerückt. Zu ihrer Bilanz gehören der Atomausstieg, das Ende der Wehrpflicht und ein entstaubtes Familienbild. Bei der letzten Bundestagswahl holte die Union mit ihrer Kanzlerin noch 41,5 Prozent – Merkels bestes Ergebnis. Drei Jahre später steht die Union heute nur noch bei 33 Prozent und stellt nur noch in fünf Bundesländern den Regierungschef. Noch deutlicher wird der Machtverlust, wenn man die Zahl der Minister vergleicht: Gab es vor zehn Jahren noch 94 Landesminister, so waren es zuletzt nur 48. Kritiker in den eigenen Reihen werfen Merkel vor, sie habe den Bogen nach links überspannt – und mit dem Mindestlohn, der Rente mit 63 oder der Frauenquote zuletzt vor allem klassische SPD-Forderungen durchgesetzt.

Wer hätte es sonst machen können?

Zur Zerreißprobe kam es schließlich im letzten Herbst: Seit Merkels Alleingang in der Flüchtlingskrise stellt nicht nur die CSU ihre Führungsrolle offen infrage. Dass es nicht zum Bruch kam, liegt auch an Merkels guter wirtschaftlicher Bilanz: Sie hat das Land ohne größeren Schaden durch die Finanzkrisen gesteuert, wirtschaftlich steht Deutschland im internationalen Vergleich seit Langem hervorragend da.

„Ich möchte irgendwann den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden“, hat sie einmal gesagt. „Dann will ich kein halb totes Wrack sein.“ In der ARD-Talksendung „Anne Will“ ging Merkel am Sonntagabend darauf ein: „Nun habe ich mich dann mal angeguckt im Spiegel: Und ich finde, dass ich das noch nicht bin.“ Über die erneute Kandidatur dachte sie seit dem Sommer nach. Die Physikerin mit ihrer bislang oft erfolgreichen Gabe, Kräfteverhältnisse und Widerstände richtig einzuschätzen, kam zu dem Schluss: Sie ist gesund, sie ist zäh und sie hat immer noch Lust aufs Regieren.

Hinzu kommt: Wer hätte es sonst machen sollen? Die Personaldecke der Union ist mit Blick auf mögliche Kanzlerkandidaten extrem dünn. Viele profilierte Köpfe haben sich zurückgezogen, entmachtet von Merkel. Politiker mit Kanzlerformat sind rar.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt begrüßte Merkels Entscheidung: „Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin angekündigt hat, wieder als Spitzenkandidatin anzutreten“, sagte sie dieser Redaktion. Merkel regiere Deutschland gut und setze sich unermüdlich für die Menschen ein. Das dürfe durch die Annäherungsversuche der SPD an Linkspartei und Grüne nicht aufs Spiel gesetzt werden, warnte sie. „Deshalb brauchen wir eine starke Union mit der Bundeskanzlerin an der Spitze.“ Auch CSU-Chef Horst Seehofer stellte sich hinter Merkel: An der „gemeinsamen Kanzlerkandidatin“ könne man nicht zweifeln.