Düsseldorf. . Die CDU-Abgeordnete Ina Scharrenbach hat als Obfrau die Aufklärungsarbeit zur Silvesternacht maßgeblich vorangetrieben - und Erschütterndes zu Tage gebracht

Das Foyer des Düsseldorfer Landtags ist längst verwaist, die Kaffeebar geschlossen. Ina Scharrenbachs eilige Schritte hallen. Ungeduldig massiert sie ein Feuerzeug. Sie muss wieder hoch ins Büro. An diesem Abend soll noch ein Beweisantrag fertig werden. Wie lebt es sich mit dem Ruf, die größte Nervensäge der Landesregierung zu sein? Scharrenbach zieht leicht die Stirn kraus und antwortet: „Das ist eben meine Rolle.“

Der Untersuchungsausschuss des Landtags zu den Kölner Silvesterübergriffen hat inzwischen mehr als 50 Mal getagt und fast 160 Zeugen vernommen. Mitte Dezember endet die Beweisaufnahme, dann geht es an die politische Bewertung im Abschlussbericht.

Der CDU-Abgeordneten Scharrenbach aus Kamen fiel in den vergangenen Monaten die Aufgabe der Chefanklägerin zu. Sie ist Obfrau der größten Oppositionsfraktion und bestimmt damit maßgeblich die Regie der parlamentarischen Aufklärungsarbeit. Zeugen, Fragen, Dokumente, Öffentlichkeitsarbeit – Scharrenbach sorgt entscheidend dafür, dass die massenhaften Übergriffe auf Frauen an einem der prominentesten Orte Nordrhein-Westfalens nicht einfach im medialen Mahlstrom der wechselnden Aufregerthemen verschwinden.

Innenminister Jäger verhörte die Obfrau sieben Stunden lang

„Der Innenminister bekommt Schweißausbrüche, wenn er nur den Namen Scharrenbach hört“, hat CDU-Landeschef Armin Laschet neulich unter Parteitagsjubel getönt. Innenminister Ralf Jäger (SPD) würde das heftig bestreiten. Er kennt Scharrenbach persönlich gar nicht – und musste sich doch sieben Stunden lang von ihr verhören lassen. Im Regierungslager wird geschimpft, die stets kontrolliert auftretende CDU-Frau sei an Aufklärung der Silvesterereignisse gar nicht interessiert und veranstalte seit Monaten ein politisches Tribunal über die rot-grüne Innenpolitik.

Scharrenbachs Nominierung als Obfrau für den Untersuchungsausschuss war eine Überraschung. Sie sitzt erst seit 2012 im Landtag, ist weder Innenpolitikerin noch Juristin. Laschet hat ihr die Aufgabe übertragen, weil die 40-Jährige fraktionsintern als Aktenfresserin mit Hang zu unaufgefordert verfassten Positionspapieren bekannt ist. Scharrenbach ist Bankkauffrau und Betriebswirtin und hat vor der Abgeordnetenzeit für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Ernst & Young“ Jahresabschlüsse seziert. Ihr Beruf habe ihr geholfen, die beispiellose Kriminalitätsorgie von Köln zu durchdringen, sagt sie.

100.000 Aktenseiten und Hunderte Notrufe hat sie durchgearbeitet

Scharrenbach berät sich mit einem Polizisten, der ihr bei der Ausschussarbeit hilft. Anders als viele Abgeordnete sonst hat sie 100.000 Aktenseiten selbst gelesen, sich ein privates Dokumenten-Register erstellt. Sie hat Tag und Nacht Dateien durchforstet und in den Herbstferien noch Hunderte Notrufe der Silvesternacht abgehört.

Nur so konnte Scharrenbach in einer Ausschusssitzung erschütternde Tondokumente öffentlich abspielen lassen: „Die greifen mir unters Kleid und die Polizei macht gar nichts“, wimmerte da eine Frau.

Ausschuss brachte Kommunikationschaos und Staatsohnmacht zu Tage

Der Untersuchungsausschuss hat mehr zu Tage gefördert, als all jene wahrhaben wollen, die nicht mehr über das Thema reden wollen. Das Kommunikationschaos zwischen den Behörden in der Silvesternacht. Die Ohnmacht des Staates gegenüber einem Mob, der durch eine zögerliche Haltung der Ordnungshüter erst entfesselt wurde. Die Fehlplanungen beim Polizeieinsatz. Die lange Vorgeschichte der nordafrikanischen Intensivtäter, im Polizeijargon „Nafris“ genannt. Die tagelange Funkstille zwischen Ministerialapparat und den Spitzen der Landesregierung. Das Verweigern von politischer Verantwortung in Düsseldorf.

Den Nachweis, dass Innenminister Jäger eindeutige Hinweise auf eine außer Kontrolle geratene Lage in Köln missachtete oder persönlich versagt hätte, wird Scharrenbach wohl nicht führen können. Zurücktreten wird Jäger wohl kaum noch. Dennoch: Den überfallenen Frauen sei man es schuldig, findet Scharrenbach, dass der Landtag die Silvesternacht zumindest gründlich nachbereitet habe.

>> ZUR PERSON

Die 1976 in Unna geborene CDU-Politikerin studierte an der Fachhochschule Dortmund Betriebswirtschaftslehre. Zuvor absolvierte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Im Alter von 20 Jahren begann sie mit dem Eintritt in die CDU ihre politische Karriere.

Ina Scharrenbach ist seit 2011 stellvertretende NRW-Landesvorsitzende der Frauen-Union und seit 2012 stellvertretende Landesvorsitzende der CDU in NRW. Sie ist zudem stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation.