Berlin. Die EU-Kommission verklagt Deutschland wegen zu hoher Nitratbelastung durch Dünger
Zu viel Gülle, zu viel Kunstdünger: Deutschland tut nach Ansicht der EU zu wenig, um sein Grundwasser zu schützen. Der Dünger treibt die Nitratbelastung der Böden und Gewässer in die Höhe. Die EU-Kommission hat jetzt eine lange angekündigte Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht – und erhöht so den Druck auf die Bundesregierung, schärfere Düngeregeln einzuführen. Im Fall einer Verurteilung droht Deutschland eine Milliardenstrafe.
Nach Ansicht der EU verschleppt Deutschland den Gewässerschutz. Das Nitrat in der Gülle fördert das Pflanzenwachstum – belastet bei Überdosierung aber Flüsse und Grundwasser. Nitrat kann zudem für Säuglinge gefährlich sein, umgewandelt in Nitrit steht es im Verdacht, Krebs zu erregen. In NRW zum Beispiel weisen laut einem Bericht des Düsseldorfer Umweltministeriums 40 % der Grundwasserkörper so starke Nitratbelastungen auf, dass sie teils nur mit großem Aufwand zu Trinkwasser aufbereitet werden können. Besonders betroffen: Teile des Niederrheins.
Eine neue Düngeverordnung ist in Deutschland in der Tat überfällig, seit Jahren wird darüber gestritten – zwischen Bund, Ländern, Parteien und Verbänden. Eine Novelle will Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) im Dezember dem Bundesrat vorlegen. SPD und Union hatten sich erst vor wenigen Wochen auf die Einführung einer „Hoftorbilanz“ für viehstarke Betriebe geeinigt. Sie sollen genau festhalten, was an Nährstoffen rein- und rausgeht. Dieses Thema galt als einer der letzten „dicken Brocken“ in dem langen Streit.
Unklar ist, ob der Kompromiss zur neuen Düngemittelverordnung angesichts der EU-Klage nachgebessert wird, was aber nochmal Zeit kosten würde. Schmidt zeigte sich gestern für Korrekturen offen. Zunächst muss sein Haus aber die 1500 (!) Seiten umfassende Klageschrift durcharbeiten.
„Seit Jahren wird unser Wasser schlechter und diese Regierung unternimmt nichts“, klagte Grünenfraktionschef Anton Hofreiter dieser Redaktion. Es sei beschämend, dass erst die EU-Kommission der jahrelangen Tatenlosigkeit eine Grenze aufzeige. Für die Steuerzahler könne die Untätigkeit sehr teuer werden. Frankreich ist bereits wegen des Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie verurteilt worden. Dem Land droht eine Geldstrafe zwischen einer und drei Milliarden Euro. Ähnliches wird im Falle Deutschlands für möglich gehalten.
NRW-Umweltminister Johannes Remmel (ebenfalls Grüne) drängt zum Handeln: „Die Nitratbelastung der Gewässer und des Grundwassers ist eines der größten Umweltprobleme in Nordrhein-Westfalen.“ Remmel drängt auch auf Korrekturen an der geplanten Düngeverordnung, der Entwurf geht ihm nicht weit genug. So spricht sich der NRW-Minister z. B. für eine zentrale Erfassung aller betrieblichen Nährstoffbilanzen aus, ebenso dafür, dass Wirtschaftsdünger auf unbestelltem Ackerland unverzüglich eingearbeitet werden muss. Zudem fordert Remmel eine Erhöhung der Abstände zu den Gewässern.
„Bund und Länder sollten über den vorliegenden Entwurf der Düngeordnung endlich entscheiden“, meint hingegen eine Sprecherin der Rheinischen Bauern. Gut 11 000 Betriebe gibt es im Rheinland; weil keiner nur Vieh hat, sondern jeder auch Acker- oder Grünland sind de facto alle von der neuen Verordnung betroffen. „Die Bauern wollen Rechtsklarheit“, so die Sprecherin. Mit dem von den Bauern mitverhandelten Düngekompromiss könne man im Großen und Ganzen leben. Die Klage vorm Europäischen Gerichtshof dürfe „nicht dazu missbraucht werden, bei der Novelle der Düngeverordnung noch schärfere Regelungen draufzusatteln“ oder den Grundsatz aufzugeben, dass das Düngen am Bedarf der Kulturen orientiert sein muss.