Istanbul. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn wirft der Türkei Nazi-Methoden vor und spricht von Sanktionen. Die Bundesregierung wiegelt ab.
Deutschland unterstützt nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert derzeit keine Überlegungen über EU-Sanktionen gegen die Türkei. „Die Bundesregierung beteiligt sich jetzt nicht an einer Sanktionsdebatte“, sagte Seibert am Montag in Berlin. Nötig sei jetzt eine „klare und gemeinsame europäische Haltung“ zur Türkei. „Dafür ist es richtig, Gesprächskanäle offenzuhalten.“
So würden sich die EU-Botschafter am Montag mit dem türkischen Europaminister treffen. Dabei würden auch die Schicksale von in der Türkei Festgenommenen angesprochen. „Das ist der richtige Weg, um zu zeigen, wo die europäische Solidarität liegt, nämlich bei denen, die für einen pluralistischen und demokratischen Staat in der Türkei eintreten“, sagte Seibert. Sollte die Türkei die Todesstrafe wieder einführen, müssten die EU-Beitrittsgespräche beendet werden, fügte Seibert hinzu.
Asselborn: Methoden wie in der Nazi-Zeit
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hatte am Montag EU-Sanktionen ins Gespräch gebracht. „50 Prozent der Exporte der Türkei gehen in die Europäische Union“, sagte der Minister im Deutschlandfunk. „60 Prozent der Investitionen in die Türkei kommen aus der Europäischen Union. Das ist ein absolutes Druckmittel. Und in einem gewissen Moment kommen wir nicht daran vorbei, dieses Druckmittel einzusetzen, um die unsägliche Lage der Menschenrechte zu konterkarieren.“
Die aktuellen Entwicklungen in der Türkei verglich Asselborn mit denen in der Nazi-Zeit. Zum Vorgehen gegen Regierungsgegner unter dem von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte er: „Das sind Methoden, das muss man unverblümt sagen, die während der Nazi-Herrschaft benutzt wurden.“ Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Ankara seien bereits jetzt „theoretisch“ ausgesetzt.
Erdogan zeigt sich unbeeindruckt
Asselborn gab zu einem möglichen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen zu bedenken, „dass es Millionen Menschen in der Türkei gibt, die glauben, dass die einzige Hoffnung, um aus diesem Loch herauszukommen, die Europäische Union ist“.
Erdogan hatte nach den jüngsten Verhaftungen von kritischen Journalisten und Oppositionsabgeordneten in der Türkei am Sonntag deutlich gemacht, dass ihn Kritik aus dem Ausland nicht interessiere. „Es kümmert mich überhaupt gar nicht, ob sie mich einen Diktator oder Ähnliches nennen“, sagte er. „Das geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Wichtig ist, was mein Volk sagt.“
Dündar: Türkei steuert auf „Gestapo-Regime“ hin
Ähnliche Worte wie Asselborn findet auch Can Dündar, der Ex-Chefredakteur der unabhängigen türkischen Tageszeitung „Cumhuriyet“. Die Türkei steuere auf ein „Gestapo-Regime“ hin, sagte Dündar am Montag im „Tagesspiegel“. Das deutsche Volk müsse nur in seinen Geschichtsbüchern blättern, um zu verstehen, wohin sich die Türkei gerade entwickle.
Häuser von Andersdenkenden, Intellektuellen und Politikern würden gestürmt, ohne dass das türkische Parlament eingebunden werde. „Wissenschaftler werden aus Universitäten verbannt, Künstler verhaftet. Ihnen wird immer derselbe Vorwurf gemacht, am Ende ist es nur noch eine Hexenjagd“, sagte Dündar. Er wurde im Mai in der Türkei wegen Spionage zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt und floh im Juli ins Ausland. (dpa/epd)