Berlin. Dobrindt und die EU-Kommission wollen sich zwar einigen, doch die Pkw-Maut ist noch immer nicht sicher. Viele Fragen sind noch offen.
Lange Zeit sah es nicht so aus, als ob die Pkw-Maut kommen würde. Das Lieblingsprojekt der CSU, mit dem sie vor drei Jahren den Bundestagswahlkampf bestritten hatte, schien am Widerstand der EU-Kommission zu scheitern. Nun plötzlich scheint die Maut doch eine Chance zu haben. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) jedenfalls erschien mit guter Laune auf dem CSU-Parteitag in München. Woher kommt die Wende bei der Maut und kommt sie wirklich? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
• Warum ist die Maut wieder Thema?
Die Maut ist das Prestigeprojekt der CSU. Die Bayern haben sie gegen den Willen von CDU und SPD in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Bundestag und Bundesrat haben das dazugehörige Gesetz beschlossen. Aber: Das Gesetz liegt seit Juni 2015 auf Eis, weil die EU-Kommission die Maut in der von Minister Dobrindt geplanten Form ablehnt. Sie hat deshalb vor fünf Wochen beschlossen, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Dobrindt wollte nicht auf das Urteil warten, sondern seine Maut retten, und hat noch einmal intensiv mit der Brüsseler Behörde und mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verhandelt.
• Kommt die Pkw-Maut nun?
Das ist noch immer unklar. Erst einmal müssen sich der Verkehrsminister und die EU-Kommission tatsächlich einigen. Das soll noch im November geschehen. Dann muss der Bundestag das bestehende Mautgesetz ändern, was wohl erst im Frühjahr 2017 der Fall sein wird. Ob die SPD, die gegen die Maut ist, dann zustimmt, ist offen. Weitere Monate sind dann nötig, bis die technische Umsetzung steht. Dobrindt selbst sagt daher, die Maut komme frühestens nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017. Dann wird aber eine neue Bundesregierung im Amt sein. Ob sie die Maut einführen wird, ist offen. Ursprünglich sollte die Maut Anfang 2016 starten.
• Wer muss die Pkw-Maut zahlen?
An der grundsätzlichen Idee hat sich nichts geändert: Fahrer von ausländischen Autos und Wohnmobilen sollen eine Gebühr für die Benutzung deutscher Autobahnen zahlen. Deutsche Autofahrer zahlen auch, bekommen das Geld aber über die Kfz-Steuer zurück. „Kein deutscher Fahrzeughalter zahlt mehr für sein Auto als heute“, hatte Dobrindt im Juli 2014 in der „Bild“-Zeitung garantiert. Das gilt, wie Dobrindt und auch Regierungssprecher Steffen Seibert nochmals versicherten.
• Was stört Brüssel an der Pkw-Maut und wie sieht der Kompromiss aus?
Die EU-Kommission kritisiert, dass deutsche Autofahrer die Maut komplett erstattet bekommen sollen. Das dürfe nicht sein, weil dadurch Autofahrer aus anderen EU-Ländern benachteiligt würden. Nun wollen beide die Besitzer von umweltfreundlichen Autos bei der Kfz-Steuer etwas stärker entlasten und ihnen mehr als die Maut erstatten. Das wäre keine direkte Kompensation mehr und diente einem guten Zweck. Außerdem kritisiert Brüssel, dass die Kurzzeit-Tarife, die Dobrindt einführen will, zu teuer und zu wenig differenziert sind. Als Lösung könnten die Preise für diese Tarife sinken. Es könnte auch weitere Tarife nur für einen Tag geben oder für Pendler in Grenzgebieten.
• Wer hat sich durchgesetzt?
Da Minister Dobrindt nicht auf das Gerichtsurteil warten wollte, saß die EU-Kommission am längeren Hebel und konnte ihre Forderungen durchsetzen. Dobrindt musste nachgeben.
• Wie hoch ist die Maut?
An der komplizierten Berechnung wird sich nichts ändern. Die Maut richtet sich nach der Größe des Motors (Hubraum), nach der Kraftstoffart (Benzin oder Diesel) und nach dem Schadstoffausstoß des Autos. Der Jahrespreis soll maximal 130 Euro sein; zehn Tage sollen – nach den Vorstellungen der Kommission – nur 2,50 Euro kosten. Für deutsche Autofahrer gibt es nur den Jahrestarif. Wie viel Geld die Deutschen über die Kfz-Steuer erstattet bekommen, lässt sich sagen, wenn die Einigung mit Brüssel vorliegt.
• Bekommt der Staat mehr Geld durch die Pkw-Maut?
Grundsätzlich soll die Maut mehr Einnahmen in die Kasse von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bringen. Unter dem Strich waren bisher 500 Millionen Euro eingeplant. Jetzt werden es wohl weniger, denn Schäuble muss durch die geplante höhere Erstattung für deutsche Autofahrer auf mehr Kfz-Steuer verzichten als gedacht. Womöglich liegen die Einnahmen am Ende bei weniger als 400 Millionen Euro pro Jahr. Die Kfz-Steuer bringt neun Milliarden Euro pro Jahr.
• Wie wird die Maut umgesetzt?
Es soll keinen Aufkleber geben wie in Österreich oder der Schweiz. Stattdessen sollen die Kennzeichen der Autos erfasst werden. Kontrolliert wird die Maut durch das Bundesamt für Güterverkehr, das schon heute stichprobenartig die Lkw-Maut überwacht.
• Wie fallen die Reaktionen aus?
In der CSU wird Dobrindt gelobt. Kanzlerin Merkel lässt ausrichten, sie begrüße eine außergerichtliche Einigung. Die SPD will den Kompromiss mit Brüssel „sehr ausgiebig prüfen“, wie Vizefraktionschef Sören Bartol sagte. Grünen-Chefin Simone Peter hält die Maut „weder für ökologisch noch für gerecht“. Die Linke sprach von absurdem Theater. Österreich kündigte dem „Spiegel“ zufolge bereits an, gegen die Maut zu klagen.
• War es Zufall, dass die erwartete Einigung mit Brüssel jetzt bekannt wurde?
Die Vermutung liegt nahe, dass die CSU auf ihrem Parteitag einen Erfolg vorweisen wollte. Das Bundesverkehrsministerium weist das zurück.
• Hat CDU-Chefin Angela Merkel bei den Verhandlungen mit Brüssel geholfen?
Vermutlich. Merkel hat ein Interesse daran, dass sich ihre CDU und die CSU wieder annähern und die CSU ihr Prestigeprojekt Maut umsetzen kann. Regierungssprecher Steffen Seibert sagt deshalb, das Verkehrsministerium verhandele mit Brüssel „grundsätzlich“ allein, aber auch nicht ausschließlich.