Eine elfjährige Braut wird wie eine Prinzessin herausgeputzt. Eine vielleicht Zehnjährige hockt neben ihrem Ehemann, dessen Gesichtszüge von greisenhaften Falten geprägt sind. Die Bilder, die aus Ländern wie Afghanistan oder Ägypten gezeigt werden, verstören zutiefst: Kinderehen sind nach westlichen Moralvorstellungen untragbar. Sie missachten gleichzeitig Menschenrechte, Kinderrechte und Frauenrechte. Bisher beschränkte sich die Empörung auf das ferne, arme Ausland. Doch im vergangenen Jahr, als knapp eine Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kamen, ist die Kinderehe zu einem innerdeutschen Thema geworden.
Wie sollen Justiz und Jugendämter mit den jungen Menschen umgehen? Der erste Reflex: Ehe annullieren, das Paar trennen. Ein entsprechendes Gesetz wird gerade erarbeitet. Doch was ist, wenn eine 14-Jährige niemand anderen kennt als ihren erwachsenen Mann? Und wie soll das Jugendamt mit den Kindern von Teenager-Müttern umgehen? Was bedeutet eine Annullierung für Aufenthaltsrecht und Unterhaltsanspruch? Es wird schwierig sein herauszufinden, was der jungen Ehefrau wirklich hilft. Ob Gerichte das können, ist fraglich.
So gut es ist, das Thema Kinderehe oben auf die politische Tagesordnung zu setzen – mindestens ebenso wichtig ist eine Entwicklungshilfe, die sich in den Herkunftsländern für Mädchenbildung einsetzt. Doch genau dies kommt laut Hilfsorganisationen zu kurz. Dabei ebnet mangelnde Bildung Zwangsehen den Weg, zementiert Armut und damit – neben Krieg und Terror – die Hauptfluchtursache.
Ein Gesetz, das Kinderehen verbietet, ist – wie übrigens ein Verbot der Vollverschleierung – zunächst einmal nicht mehr als eine Beruhigungspille für aufgeregte Wutbürger. Wer wirklich etwas für die Mädchen tun will, muss in den Herkunftsländern ansetzen.