Gaza. Bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen sind zwei Schulen der Vereinten Nationen getroffen worden. Dabei kamen mindestens 40 Menschen ums Leben, wie ein UN-Sprecher und palästinensische Ärzte mitteilten. In den Schulen hielten sich mehrere hundert palästinensische Flüchtlinge auf.
Durch einen israelischen Angriff im Gazastreifen sind am Dienstag nach palästinensischen Angaben in einem Schulgebäude der Vereinten Nationen mindestens 40 Menschen getötet worden. Die israelische Armee habe vier Raketen auf die Umgebung der El-Fachura-Schule in Dschabalija im Norden des Gazastreifens abgefeuert, berichteten Augenzeugen. Vor Ort seien 30 Tote und mindestens 40 Verletzte gezählt worden, sagte der Leiter des Kamal-Edwan-Krankenhauses der Nachrichtenagentur AFP.
Mindestens zehn Tote sowie weitere Verletzte wurden nach Angaben von Medizinern in ein anderes Krankenhaus gebracht. Die Schule war vom UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) als Flüchtlingsunterkunft genutzt worden.Am Morgen waren bereits fünf Todesopfer bei zwei Angriffen auf Schulen des UNRWA im Flüchtlingslager Schati in der Nähe von Gaza sowie in Chan Junis im Süden des Gazastreifens gemeldet worden. Seit Beginn der israelischen Angriffe im Gazastreifen wurden laut palästinensischen Rettungskräften mehr als 635 Palästinenser getötet und mehr als 2900 weitere verletzt.
"Niemand ist sicher"
UN-Vertreter im Gazastreifen erklärten, sie hätten den israelischen Streitkräften die geografischen Koordinaten ihrer Gebäude im Gazastreifen übermittelt, um zu verhindern, dass sie angegriffen würden. Der Leiter der UN-Vertretung in Gaza, John Ging, sagte jedoch nach dem Luftangriff: «Niemand ist sicher im Gazastreifen. Alle hier sind terrorisiert und traumatisiert.» Er warf der internationalen Gemeinschaft vor, nichts gegen die Eskalation der Gewalt zu unternehmen und sagte in einem Krankenhaus in Gaza: «Ich appelliere an die politischen Führer hier und in der Region und in der Welt, zusammenzuwirken und das zu stoppen. Sie sind verantwortlich für diese Todesfälle.»
Der internationale Druck auf Israel wächst, die Gaza-Offensive durch einen Waffenstillstand zu beenden. Die Konzepte dafür, über die der UN-Sicherheitsrat am Dienstag in New York beraten wollte, könnten aber unterschiedlicher kaum sein. Teils stellen die Konfliktparteien Maximalforderungen. Regionale Machtkämpfe spielen auch eine Rolle. Die EU bietet als Lösung die Wiederbelebung ihrer Grenzmission an. Außenminister Frank-Walter Steinmeier entsandte seinen Nahost-Vermittler.
Israel selbst hat zwei Hauptziele: Den Waffenschmuggel aus Ägypten nach Gaza zu unterbinden und die radikalislamische Hamas zum Einstellen der Raketenangriffe zu bewegen. Dan Gillerman, ehemaliger UN-Botschafter, sagte in Jerusalem: «Wenn diese Ziele erreicht und deren Einhaltung international garantiert sind, verlassen wir Gaza. Es wäre eine neue Situation.»
Die israelische Außenministerin Zipi Livni verlangte dazu den Einsatz von Beobachtern. Diese sollten die Vollmacht haben, Tunnel für die Hamas-Waffenschmuggler zu zerstören. Vor Beginn der Offensive gab es nach israelischen Angaben etwa 300 solcher Tunnel.
Die Palästinenser wiederum wollen eine Sicherheitsrats-Resolution, die die israelische Offensive beendet. Außenminister Riad Malki von der Autonomiebehörde im Westjordanland sagte in New York, er verlange einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand. Darüber hinaus müssten die «Belagerung» von Gaza beendet sowie alle Grenzübergänge geöffnet werden. Internationale Beobachter müssten die Vollmacht haben, die Zivilbevölkerung von Angriffen zu schützen.
Er sagte auch, dass die Tunnel geschlossen werden müssten. Wer dies durchsetzen solle, ließ er offen.
Auch Hamas fordert Öffnung
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Auch die Hamas forderte die Aufhebung der Gaza-Blockade, die von Israel und Ägypten nach dem Wahlsieg der Hamas 2007 verhängt wurde. Die Öffnung der Grenzen würde allerdings die Anerkennung von Hamas bedeuten.
Knackpunkt hier ist die Frage, wer auf palästinensischer Seite den Übergang Rafah vom Gaza-Streifen nach Ägypten kontrolliert. Ägypten fordert den Einsatz von Palästinensern der Fatah aus dem Westjordanland. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas wäre an einer solchen Lösung interessiert, weil sie seinen Einflussbereich vergrößern würde. Ägypten fürchtet den Einfluss von Islamisten im eigenen Land.
Hamas ist bisher strikt dagegen. Allerdings führt eine aus Damaskus angereiste Hamas-Delegation in Kairo Gespräche. Der ägyptische Außenminister Aboul Gheit meint, die Wiedereröffnung von Gesprächskanälen zwischen Hamas und Fatah sei die Voraussetzung für einen haltbaren Waffenstillstand.
Wiederbelebung der EUBAM-Mission
Eine möglicher Lösungsweg scheint derzeit die von den EU-Außenministern angebotene Wiederbelebung der europäischen Grenzmission EUBAM (EU Border Assistance Mission) in Rafah. Eine Außenamtssprecherin sagte in Berlin: «Das könnte ein erster Schritt sein, die notwendige Überwachung der Grenzübergänge zu verbessern.»
Die von US-Außenministerin Condoleezza Rice 2005 zwischen Abbas und Israel mitvermittelte Mission sah die Kontrolle der palästinensischen Grenzkontrollen zwischen Gaza-Streifen und Ägypten vor. Kern war, dass Israelis die Arbeit der palästinensischen Seite mit Überwachungskameras kontrollieren konnten.
Für das Auswärtige Amt geht es nun nun darum, welchen Beitrag die Staatengemeinschaft leisten kann, um die Voraussetzungen für einen Waffenstillstand zu schaffen, ohne dass die Sicherheit Israels erneut in Gefahr gerät. Der Nahostbeauftragte des Auswärtigen Amts, Andreas Michaelis, führe dazu derzeit Gespräche in der Region, sagte die Sprecherin.
Papst fordert Verhandlungen im Nahen Osten
Papst Benedikt XVI. hat Israelis und Palästinenser zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert. Er unterstütze alle Bemühungen, beide Parteien zu Friedensgesprächen zu bewegen, sagte Benedikt am Dienstag vor Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom. Er verfolge die Nachrichten der bewaffneten Auseinandersetzung um den Gazastreifen mit «großer Sorge». Der Papst wiederholte seine Mahnung vom Sonntag, die Geschichte zeige, dass Krieg und Hass die Probleme der Region nicht lösen könnten.
Der Vatikan hatte für das Frühjahr eine Reise des Papstes ins Heilige Land angedeutet, aber bislang keine konkreten Pläne vorgestellt. Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. war im Jahr 2000 der erste Papst der Neuzeit, der Israel und die palästinensischen Gebiete besuchte. (AP,AFP)
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