Flensburg. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt plant unangekündigte Verkehrskontrollen. Die Art ihrer Umsetzung ist bei Experten umstritten.
Mehr als ein Jahr nach Beginn des Abgasskandals bei Volkswagen will das Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Herbst die ersten Autos für unangekündigte Abgaskontrollen aus dem Verkehr ziehen. Mit diesen sogenannten „Doping-Tests“ soll die Behörde nach dem Willen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Manipulationen besser und schneller erkennen. Wie sinnvoll sind die neuen Kontrollen?
Was testen die Geräte?
Mit den zwei neuen, insgesamt 330.000 Euro teuren Messgeräten will das KBA Abgase bei Autos im normalen Betrieb auf der Straße untersuchen. Manchen Autobauern war im Zuge des Abgasskandals vorgeworfen worden, die Abgasreinigung ihrer Modelle so programmiert zu haben, dass sie nur auf dem Prüfstand funktioniert.
Hiergegen können „Pems“-Geräte (Portable Emission Measurement System) helfen. Dank der eigenen Messgeräte muss das KBA für Kontrollen nun nicht zwingend auf technische Dienste wie Tüv oder Dekra zurückgreifen. Sie standen wegen ihrer engen Kontakte zur Industrie in der Kritik. Die ähnlich wie Fahrräder auf einem Gepäckträger am Kofferraum montierten Pems-Geräte messen unter anderem CO2- und Stickoxid-Ausstoß.
Wie wird getestet?
Heißt es bei der Verkehrskontrolle für manchen Autofahrer künftig „Führerschein, Papiere und ein Blick in den Auspuff, bitte“? Nein. Für die Messungen zieht das KBA unangemeldet Fahrzeuge aus der Produktion oder testet Miet- oder Leasingwagen. Es gebe keine Kontrollen von Fahrzeugen bei Endverbrauchern, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium.
Sind die Tests ausreichend?
Für den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer erfüllen die Kontrollen zunächst nur eine „Alibi-Funktion“. Zwar sei die Methode richtig – und auch die Anmietung von Autos, um nicht auf präparierte Wagen reinzufallen. „Jetzt zwei Geräte zu kaufen, ist aber zu wenig“, sagte der Forscher an der Universität Duisburg-Essen mit Blick auf die Kapazität.
Bislang gebe es noch keinen umfassenden Plan, um einen neuen Abgasskandal auszuschließen. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Anschaffung als „Placebo-Politik“. Das KBA will die Pems-Geräte außer für „Doping-Tests“ zudem auch für weitere Prüfungen bei bereits auffälligen Autos einsetzen.
Was müsste getan werden?
„Eine unabhängige Behörde muss her“: So lässt sich die Hauptforderung von Autoclubs, DUH und Autoexperte Dudenhöffer zusammenfassen. Sie alle bezweifeln, dass das KBA für die „Doping Tests“ die richtige Stelle ist – und schlagen das Umweltbundesamt unter Aufsicht von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) vor. So, fordert der ADAC, könne „eine sachliche und fachliche Trennung“ zwischen Typgenehmigungen und Überwachung gelingen.
Der Vorsitzende des Autoclubs ACE, Stefan Heimlich, sagte: „Da braucht es auch auf politischer Ebene einen Chefaufklärer.“ Marion Jungbluth, Mobilitätsexpertin der Verbraucherzentrale, formulierte vorsichtiger: „Das KBA muss seine Unabhängigkeit noch unter Beweis stellen.“ Das Verkehrsministerium wiederum ließ die Frage, woher sich die Zuständigkeit des KBA für die Tests ergibt, zunächst unbeantwortet.
Was wird noch unternommen?
Außer mit Pems-Geräten will das CSU-Verkehrsministerium das KBA noch weiter aufrüsten. So soll die Behörde künftig ein eigenes Labor mit Prüfständen bekommen. Wann und wo es öffnet, ist laut Ministerium offen. Die Straßentests sollen EU-Richtlinien entsprechend zudem ab 2017 bei der Typzulassung Pflicht werden. Berichte des „Flensburger Tageblatts“ über eine eigene Teststrecke auf dem früheren Fliegerhorst Leck in Schleswig-Holstein wollte das Ministerium zunächst aber nicht bestätigen. Pro Jahr plant es für Technik und Personal insgesamt rund zehn Millionen Euro ein.
Welche weiteren Forderungen gibt es?
Sollte das KBA für die „Doping-Test“ verantwortlich bleiben, erwartet die Verbraucherzentrale, „dass die Zulassung von Fahrzeugen und die Kontrolle der Einhaltung von Abgasnormen personell und finanziell getrennt sind“. Verbraucherschutz müsse Ziel des KBA werden. ACE-Chef Heimlich forderte, auch Bußgelder zu verhängen: „Es kann doch nicht sein, dass Konzerne Jahre lang tricksen bis sich die Abgasrohre biegen und damit ungestraft durchkommen.“
Hinzu kommt der Ruf nach mehr Personal: „Geräte allein helfen nicht, es braucht auch naturwissenschaftliche Kompetenz“, sagte Autoexperte Dudenhöffer. ADAC und DUH verlangen wiederum eine Veröffentlichung der Testdaten. „Auffällige Werte dürfen nicht mit der Industrie abgestimmt werden, sie gehören in die Öffentlichkeit“, forderte DUH-Chef Jürgen Resch.
Was sagen die Autohersteller?
Zum Ruf nach Veröffentlichung der Daten wollte sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) nicht näher äußern – und verwies auf rechtliche Probleme. „Wir wollen dem Gesetzgeber nicht vorweg greifen“, sagte Sprecher Eckehart Rotter. Die KBA-Tests habe man von Anfang an aber begrüßt. „Wir wollen da aktiv mitarbeiten“, sagte er. Er hoffe unter anderem auf eine bessere Vergleichbarkeit der Fälle. (dpa)