Essen. . Anträge sollten ab 1. August komplett im Internet abgewickelt werden können. Doch in der Praxis hakt es: Formulare müssen weiter ausgedruckt und mit der Post verschickt werden
Der Chef der Studentenwerke ist sauer. Es hätte ein bundesweites Vorzeigeprojekt werden können, doch das Vorhaben, die umständlichen Bafög-Anträge ab 1. August komplett online abwickeln zu können, entpuppt sich bislang als Fehlschlag. Dieter Timmermann, Präsident des Deutschen Studentenwerks (DSW), wirft den Ländern vor, die Umsetzung der Sache verschlafen zu haben. „Die Länder wussten seit 2013 von der Frist“, sagt Timmermann.
So hat zum Beispiel die Uni Bielefeld seit Anfang August nur einen einzigen Antrag registriert, der online eingegangen ist. Die Uni Duisburg-Essen: keinen einzigen. „Das läuft gar nicht bei uns“, heißt es in Essen.
Insgesamt rund 200.000 Bafög-Anträge in NRW
Ähnlich sieht es an anderen Hochschulstandorten in NRW aus. Tausende junger Menschen, die im Oktober ihr Studium beginnen, müssen also vorerst weiterhin das herkömmliche und umständliche Antragsverfahren nutzen.
Was läuft da schief?
Wer staatliche Förderung beantragen will, muss sich durch ein knappes Dutzend Formblätter arbeiten, diese herunterladen, ausdrucken, mit der Hand unterschreiben, alles in einen Umschlag stecken und mit der Post an das zuständige Amt für Ausbildungsförderung schicken. Rund 200.000 Anträge werden in NRW pro Jahr auf diese Weise bearbeitet.
Mit dem elektronischen Bafög (E-Bafög) sollte alles einfacher und schneller gehen. Die Idee: Wer einmal online seinen Antrag stellt, kann immer wieder auf den Datensatz in seiner „E-Akte“ zurückgreifen. Bei einem Uniwechsel würde diese Akte in jedes Bundesland automatisch „mitreisen“.
„Das ist kein E-Bafög!“
Dann aber kam der Föderalismus ins Spiel, klagt Timmermann. Die 16 Bundesländer entwickelten kein einheitliches System, wie es vorgesehen war, sondern jeweils eine eigene Plattform. Fazit: Ein sinnvolles Projekt versickert im Dickicht der Zuständigkeiten, und die nützliche E-Akte bleibt eine Fiktion. „Ein elektronischer Datenaustausch ist derzeit nicht möglich“, bestätigt das NRW-Wissenschaftsministerium.
Schon im März hatten die Studentenwerke eine gemeinschaftliche Lösung der Länder angemahnt. „Die Studierenden haben Anspruch auf ein einfaches, transparentes, entbürokratisiertes, einheitliches System“, sagte DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde. „Einfach nur den Bafög-Antrag online zu stellen und dann die Studierenden zu bitten, alles ausgedruckt und doch wieder schriftlich einzureichen – das ist kein E-Bafög.“
Antrag von Hand unterschreiben
Doch genau so läuft es weiterhin ab. Im Zuge der 25. Bafög-Novelle waren die Länder eigentlich verpflichtet worden, ein System ohne „Medienbrüche“ einzurichten, soll heißen: Der komplette Antragsablauf sollte online geregelt werden können, ohne Drucker und Papier. Der Haken ist aber noch die Ausweisfunktion. Bisher muss jeder Antrag ausgedruckt und von Hand unterzeichnet werden.
Komplett online abwickeln lässt sich der Antrag nur, wenn der Student einen elektronischen Personalausweis samt dem dafür notwendigen Lesegerät besitzt, um sich elektronisch zu identifizieren. Ein solches Gerät kostet aber je nach Ausführung 40 bis 80 Euro. „Ein Student, der Bafög braucht, wird das Geld nicht ausgeben wollen nur für die Unterschriftenfunktion seines Antrags“, meint eine Sprecherin des Studentenwerks Duisburg-Essen. Die fehlenden Rückläufe geben ihr Recht.
Lange Hängepartie droht
Das NRW-Wissenschaftsministerium hat das Problem offenbar erkannt. Zwar vermeldete das Ministerium bereits am 2. August stolz: „Bafög-online nun durch elektronische Ausweisfunktion erweitert!“ Durch den neuen elektronischen Personalausweises könne künftig auf den Versand per Post verzichtet werden. Wegen der dafür nötigen Anschaffung eines Kartenlesengeräts dürfte die Nutzungsquote indes auf absehbare Zeit kaum steigen. Doch die digitale Basis sei gelegt, auch wenn der Umstellungsprozess langwierig werden könne.
Droht also dem hilfreichen E-Bafög eine jahrelange Hängepartie? DSW-Präsident Timmermann meint: „Der Digitalisierungstiger des Bundes sprang – und endet in den Ländern als Bettvorleger.“