Berlin. Nach der ersten TV-Debatte sind sich die Medien weitgehend einig über Siegerin und Verlierer. In Großbritannien sieht man das anders.
Hillary Clinton hat sich im ersten TV-Duell um die US-Präsidentschaft um Längen besser geschlagen als Donald Trump – so sieht das die Mehrheit der internationalen Presse. Vereinzelt liest man jedoch auch Gegenstimmen. Und immer wieder Zweifel, ob es bei diesem Wahlkampf überhaupt auf Inhalte ankommt. Ein Überblick der Pressestimmen.
Deutschland:
Spiegel Online: „Für Donald Trump verläuft die erste TV-Debatte gegen Hillary Clinton überraschend verheerend. Der Milliardär ist fahrig und unsicher, gegen Ende nimmt ihn seine Rivalin regelrecht auseinander.“
Süddeutsche.de: „Gegen einen unvorbereiteten Donald Trump präsentiert sich Hillary Clinton mit kompetenter Nüchternheit. Das genügt, um den Republikaner zu düpieren.“
Welt.de: „Selten war ein Schlagabtausch im amerikanischen Fernsehen so aggressiv. Das lag vor allem an Trump, der Clinton ständig unterbrach und in lange, mäandernde Selbstrechtfertigungsdiskurse verfiel. Nach allen gängigen Kriterien hat trotzdem Clinton dieses Duell klar gewonnen.“
FAZ.de: „Nach der Vorstellung in der Nacht zum Dienstag war es die ehemalige Senatorin und frühere Außenministerin, die den besseren Eindruck machte, die sich beherrscht und doch resolut gab. Sie erbrachte den Nachweis, dass Erfahrung und Kenntnisreichtum trotz aller Verleumdungen doch nicht die schlechtesten Voraussetzungen sein müssen für das wichtigste Amt im Staate Amerika. Während Trump mit ständig erhobenem Zeigefinger einem Neoisolationismus dem Wort redete und seine Taten als Unternehmer pries, wirkte Clinton durchaus präsidentiell.“
Bild.de: „Punktsieg für Clinton, aber ein K.O.-Schlag für Trump war das noch nicht.“
USA:
„The New York Times“: „Während er da am Rednerpult stand, Clinton ständig unterbrechend und schreiend, ohne Unterlass schwadronierend – über Jobs und Terrorismus und Nafta und China und darüber, dass überhaupt alles schrecklich ist – sagte Mr. Trump viel. Aber als die Debatte weiterging, fiel es ihm schwer sich gegen seine Kontrahentin zu behaupten, die sehr viel selbstsicherer und besser vorbereitet auftrat als jeder republikanische Kandidat, dem Trump bei den Vorwahlen gegenüberstand.“
„Washington Post“: „Clinton war nicht perfekt in dieser Debatte. Manchmal wirkte sie zu aufgesetzt und roboterhaft. (...) Aber sie war, wenig überraschend, sehr gut vorbereitet. Sie nutzte eine Menge Zahlen und Fakten – nicht nur, um ihren eigenen Standpunkt zu vertreten, sondern auch um Trump zu zerreißen. (...) Trump war schlicht nicht gut genug vorbereitet für diese Debatte. Er scheiterte regelmäßig an Fragen, von denen er hätte wissen müssen, dass sie kommen.“
Großbritannien:
„Guardian“: „Donald Trump hat’s vergeigt. Aber werden die Wähler davon Notiz nehmen? In der ersten Präsidentschaftsdebatte verhielt sich der republikanische Kandidat wie ein Zwischenrufer bei einer Clinton-Rede. Das Problem ist, dass viele Amerikaner sich genau so fühlen könnten. (...) In jedem normalen Wahljahr, gemessen an rationalen Maßstäben, würde man sagen, dass Hillary Clinton Donald Trump in der ersten Debatte geschlagen hat.
Sie hatte die Hoheit über die Fakten, er konnte nur Zahlen über seine eigenen Finanzen zitieren. Sie kontrollierte die Geschwindigkeit der Debatte, er konnte kaum sein Temperament kontrollieren. Sie redete darüber, wie sie regieren wolle, er redete über ihre schlechte Kondition. Die wichtigste Frage ist aber, ob die Mehrheit der Wähler im November rationale Maßstäbe anlegt.“
„The Telegraph“: „Zuschauer, die Trump hassen, werden sagen, dass Clinton gewonnen hat, weil sie mehr wie eine Präsidentin auftrat. Mag sein. Aber sie hat zugleich alle Macken ihres Liberalismus zur Schau gestellt, die sie in den letzten Jahrzehnten sehr viel Unterstützung durch die Arbeiterschaft gekostet hat. Sie hat nicht die Amerikaner als Volk angesprochen, sondern einzelne Gruppen – Frauen, Menschen südamerikanischer Herkunft, Afroamerikaner. (...)
Trump hat das TV-Duell gewonnen. Er hat 2016 politisch gesiegt. Aber er könnte genau aus diesem Grund immer noch den Kampf um das Präsidentenamt verlieren. Erstens, weil er unter lausigen Zustimmungsquoten bei Frauen und Nichtweißen leidet – und mit nichts, was er am Montag sagte, hat er etwas dagegen getan. Zweitens, weil er sich entschied, Clinton anzugreifen, anstatt sich wie ein Präsident zu geben. Diese Möglichkeit hätte er gehabt, doch stattdessen schien er mit seinem Auftreten ihr Argument zu bekräftigen, dass sie die einzige auf dieser Bühne sei, der man den Code für die Atomwaffen anvertrauen kann.“ (cho/mit dpa)