Was die Zuschauer beim TV-Duell Clinton gegen Trump erwartet
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Washington. Der US-Wahlkampf tritt mit dem ersten TV-Duell in die heiße Phase. Die Regeln sind klar, die Themen gesetzt. Was erwartet Zuschauer?
Das erste TV-Duell von Hillary Clinton und Donald Trump dürfte ein politischer Blockbuster werden: Mehr Amerikaner lockt sonst nur der Super Bowl vor den Fernseher. Etwa 100 Millionen Zuschauer sollen die Debatte in der Nacht zu Dienstag verfolgen. Nach 18 Monaten Wahlkampf treffen die zwei Kandidaten das erste Mal auf dem Campus der Hofstra University in Hempstead (New York) direkt aufeinander. Womit können die Fernsehzuschauer rechnen? Einige Fakten rund um den bisherigen Höhepunkt eines schrillen Wahlkampfes.
1. Die Regeln: Themen sind gesetzt
Die Vorgaben für die insgesamt 90 Minuten sind streng. Die Debatte unterteilt sich in sechs Abschnitte, die jeweils 15 Minuten dauern. Je zwei Blöcke behandeln ein Wahlkampfthema. Der Moderator Lester Holt wird Clinton die erste Frage stellen, zwei Minuten darf sie sprechen, dann ist Trump an der Reihe. Anschließend sollen beide für zehn Minuten miteinander diskutieren. Dann kommt der nächste Block. Der NBC-Moderator Holt hat die drei Themen der ersten Debatte bereits bekannt gegeben: „Wohin steuert Amerika?“ (America’s Direction), „Wie das Land zum Wohlstand kommt“ (Achieving Prosperity) und „Nationale Sicherheit“ (Securing America). Reden dürfen nur die Kombattanten und der Moderator. Die Zuschauer im Saal müssen schweigen, Buhen und Klatschen sind tabu. Eine Werbepause gibt es nicht – und damit auch keine Möglichkeit für die Kandidaten, die Toilette aufzusuchen oder mit ihren Beratern zu sprechen.
2. Das Vorspiel: Ex-Geliebte und Fact-Checker
Schon unmittelbar vor der Fernsehdebatte eröffneten die beiden Lager das Duell – und lieferten sich einige Sticheleien. Die Wahlkampfstrategen von Hillary Clinton hatten etwa angekündigt, Trumps Erzfeind, den Self-Made-Milliardär Mark Cuban, einzuladen. Auf Twitter reagierte der Republikaner prompt und schrieb, im Gegenzug die Ex-Geliebte von Bill Clinton, Gennifer Flowers, ins Publikum einladen zu wollen. Doch das war letztlich nur heiße Luft, Flowers erscheint nicht. Immobilien-Milliardär Trump hatte vergangene Woche gefordert, auf Faktenchecks während des Duells zu verzichten. Das sei nicht der Job des Moderators Lestor Holt. Janet H. Brown, die Präsidentin der „Commission on Presidential Debates“ hält es laut „Washington Post“ für „keine gute Idee, dass der Moderator als Encyclopaedia Britannica dient“. Letztlich hängt das aber ganz vom Moderator ab.
3. Die Vorbereitungen: Akribie gegen Bauchgefühl
Die Strategien der beiden Kandidaten könnten unterschiedlicher kaum sein. Clinton soll sich von ihrer warmen, menschlichen Seite zeigen. Nach der E-Mail-Affäre geht es ihren Beratern laut US-Medien darum, ihre Glaubwürdigkeit zu stärken. Sie soll sich mehrere Tage Zeit genommen haben, um sich mit ihrem Berater Philippe Reines akribisch auf die Fernsehdebatte vorzubereiten. Berichten zufolge engagierte die ehemalige Außenministerin sogar Trumps Ghostwriter Tony Schwartz, um Einblick in die Angriffspunkte des 70-Jährigen zu bekommen. Laut der „New York Times“ will sie ihn dazu bringen, dass er aus der Haut fährt. Trump ging die Vorbereitungen offenbar lockerer an und will sich wie so oft auf sein Bauchgefühl verlassen. Er dürfte zwei Wochen nach dem Schwächeanfall von Clinton wohl Zweifel an ihrer Fitness schüren. Eine der Kernfragen lautet, ob es Trump gelingt den Zuschauern das Bild eines vertrauenerweckenden Staatsmannes zu vermitteln, der sich nicht mit Kleinigkeiten bis aufs Blut reizen lässt.
4. Die Wackel-Wähler: Viele Amerikaner noch unentschlossen
Zahlreiche US-Amerikaner entscheiden sich erst auf Grundlage der TV-Debatten. Laut aktuellen Umfragen sind etwa 20 Prozent der Wähler noch unentschlossen, welchem der beiden Kandidaten sie ihre Stimme geben. Nach einer am Wochenende veröffentlichten „Washington Post“/ABC-Umfrage würde Clinton auf 46 Prozent kommen, Trump auf 44 – ein statistisches Patt. Im August hatte die Ex-Außenministerin in Umfragen noch mit durchschnittlich neun Prozentpunkten Vorsprung geführt. Experten formulierten es am Wochenende mit Blick auf die Debatte so: Clinton habe angesichts ihres geschmolzenen Vorsprunges am meisten zu verlieren, Trump am meisten zu gewinnen.
5. Die Vorgänger: Von Lincoln bis Kennedy
Der Politikexperte Brett O’Donnell, der die ehemalige Kandidaten George W. Bush und auch Mitt Romney auf die TV-Duelle vorbereitete, sagt: „Man kann in einer Debatte die Wahl nicht gewinnen, aber man kann sie verlieren.“ Das zeigt der Blick in die Geschichte. Legendär war das Duell 1960 zwischen dem Demokraten John F. Kennedy und dem Republikaner Richard Nixon – die erste Präsidentschaftsdebatte, die live im Fernsehen übertragen wurde. Kennedy bestach durch Charme und ein sonnengebräuntes Äußeres. Nixon, der zuvor im Krankenhaus gelegen hatte, war unrasiert und wirkte unsympathisch. Er verspielte seine Chancen durch das TV-Duell, obwohl Radiohörer ihn besser fanden. Kennedy konnte die Wähler für sich gewinnen. Die erste Debatte zweier Kandidaten wurde indes lange vor der Erfindung des Fernsehens geführt: Im Jahr 1858 debattierten der Republikaner Abraham Lincoln und sein Herausforderer Stephen A. Douglas sieben Mal zu einem Thema, es ging um die Sklaverei. Die Debatte gilt als Geburtsstunde des Präsidentschaftsduells.
In Deutschland überträgt der Sender Phoenix die Debatte ab 2.45 Uhr, Das Erste zeigt das Duell ab 2.55 Uhr. Am 10. und 20. Oktober folgen das zweite und dritte TV-Duell.
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