Düsseldorf. . Eine Studie erklärt, warum so viele Mitglieder aus der Partei austreten. Der Chef der NRW-Jusos kritisiert: „Der SPD fehlt eine zentrale Botschaft.“
- Forscher: „Hinterzimmer-Entscheidungen frustrieren Mitglieder“
- Es fehlt an innerparteilicher Demokratie
- Juso-Chef klagt über „abgeräumte Themen“
Den etablierten Parteien laufen die Mitglieder davon. „Daran sind sie zum Teil selber Schuld“, sagt der Politikwissenschaftler Nicolai Dose (Uni Duisburg-Essen). Der Professor hat zusammen mit Anne-Kathrin Fischer beispielhaft die Mitgliederstruktur der SPD untersucht und Mitglieder befragt. Die Studie zeige aber auch: „Die Entwicklung lässt sich umkehren.“
Mitte der 1970-er Jahre hatte die SPD rund eine Million Mitglieder, inzwischen sind es nur noch rund 460000. „Der Trend zeigt nach unten“, sagt Nicolai Dose. Unzufriedene treten aus, außerdem schrumpfe die Partei aus „natürlichen“ Gründen, da die Mitglieder im Schnitt 59 Jahre alt seien. Bis 2040, so der Professor, dürfte die SPD nur noch 200 000 Mitglieder zählen.
„Hinterzimmer-Entscheidungen“ frustrieren Genossen
Die Forscher hatten sich unter anderem in der SPD Siegen-Wittgenstein umgehört und herausgefunden, dass jeder zweite Genosse dort schon ernsthaft über einen Parteiaustritt nachgedacht hat. „Hinterzimmer-Entscheidungen“, ermüdende Versammlungen und Unzufriedenheit mit der Parteispitze frustrieren viele Mitglieder. Der Schrumpfungsprozess sei aber nicht „gottgegeben“, sagt Dose. „Mehr innerparteiliche Demokratie“ würde die Partei wieder attraktiver machen.
Frederick Cordes, Landeschef der Jungsozialisten (Jusos), fordert im Gespräch mit dieser Redaktion eine Runderneuerung der SPD. Denn auch in NRW sei die Entwicklung schlimm. 1975 hatte die Partei hier fast 300000 Mitglieder, heute rund 110000.
Cordes glaubt, dass die SPD zum Teil selbst verantwortlich ist für den Mitgliederschwund: „Inhaltlich fehlt mir die zentrale Botschaft. Wofür steht die SPD eigentlich? Unter Willy Brandt gab es ein großes Ziel -- ,Mehr Demokratie wagen!’ -- , und die Partei bekam viele neue Mitglieder. Heute geht es in der SPD um viele kleine Themen, aber nicht um ein großes Ziel. In NRW gibt es immerhin ein größer angelegtes Projekt: „Kein Kind zurücklassen!“ Wir sollten es weiterentwickeln zu einer zentralen Partei-Botschaft: „Keinen Menschen zurücklassen!“
Vor Ort wird nicht über CETA diskutiert
Zu oft werde in der SPD vor Ort nicht über Themen geredet, die die Menschen wirklich interessierten. Cordes: „Da wird über die Länge von Ampelphasen diskutiert und nicht über das Freihandelsabkommen CETA oder über Syrien. Solche Angebote müssten wir aber machen.“
Noch etwas ärgert Cordes: „Oft räumt die Parteispitze Themen vom Tisch, um die monatelang in Ortsvereinen und Unterbezirken gerungen wurde. Zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung. Da wurde viel Arbeit investiert, die kritische Haltung war klar. Und dann werden solche Positionen am Ende von der Parteispitze einfach abgeräumt, weil sie ihr nicht passen. Übrig bleibt das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.“