Essen. . Mehr Grün, intelligente Verkehrskonzepte, klimagerechter Stadtumbau: 400 Experten beschäftigen sich auf einer Tagung in Essen mit der Frage, wie man die Lebensqualität großer Ballungsräume verbessern kann. Ein Interview mit Organisatorin Susanne Moebus.

Wenn es um unsere Gesundheit geht, spielen nicht nur Ernährung und Sport eine Rolle. Auch Raumplanung, Soziologie und Architektur beeinflussen das Wohlbefinden. Wie muss eine Stadt aussehen, in der man gesund lebt? Danach fragt die Konferenz „Metropolis“, die von der Universität Duisburg-Essen (UDE) und der Uniklinik ausgerichtet wird. Mediziner, Gesundheitswissenschaftler und andere Forscher tauschen sich dort vom 14. bis 16. September aus. Hauptveranstaltungsort ist das Essener Haus der Technik. Anna Ernst sprach mit der Organisatorin und UDE-Professorin Susanne Moebus über die Situation im Ruhrgebiet.

Wie gut ist die Lebensqualität im Ruhrgebiet?

Susanne Moebus: Wir haben im Ruhrgebiet einen hohen Anteil an Grün. Allein rund 40 Prozent des Flächenanteils im Ruhrgebiet sind kommunaler Waldbesitz – ein für eine Metropole ungewöhnlich hoher Anteil, der sicherlich die Lebensqualität der hier wohnenden Bevölkerung erhöht.

Aber auch im Revier gibt es Gebiete, die benachteiligter sind.

Ja, das ist vor allem der Norden des Ruhrgebiets. Dort ist die Lebensqualität deutlich schlechter, was die Umwelt und Luftqualität angeht, die Lärmqualität, die Ausstattung der Stadtviertel und die Einkaufsmöglichkeiten. Auch die Ausstattung mit medizinischer Versorgung ist häufig nicht so gut. Insgesamt kennen wir das Problem der schwierigen ökonomischen und sozialen Situation dort.

Im nördlichen Revier ist das auch historisch bedingt.

Genau, da die besser verdienenden Bevölkerungsschichten sich natürlich immer der Abgasfahne entge­gen angesiedelt haben. Am Beispiel der Stadt Essen lässt sich das gut erkennen: Nördlich der A 40 ist die Lärmbelastung höher und die Lebensqualität geringer. Und gleichzeitig ist dort der Arbeitslosenanteil deutlich höher als im Süden von Essen. Das lässt sich im Prinzip im gesamten Ruhrgebiet erkennen, besonders im Einzugsgebiet der Emscher. Aber auch hier gibt es große Bemühungen, mit neuen Ideen und Ansätzen, die Situation zu verbessern.

Welche Trends gibt es, um große Ballungsräume lebenswerter zu gestalten?

Im Moment ist der große Trend natürlich das Grün. Aber müssen es große Parks, Wiesen oder gar Wildnisse sein? Bei unserer Studie, die seit 2000 läuft, haben wir 4800 Bürger aus Mülheim, Essen und Bochum befragt und den Faktor depressive Verstimmung betrachtet. Dabei haben wir festgestellt, dass es für die Stimmung schon reichte, wenn man beim Blick aus dem Fenster Grün sieht. Das muss nicht unbedingt ein Park sein. Das ist für Stadtplaner hoch spannend. Denn nicht überall können wir bei der dichten Bebauung große Grünflächen anlegen. Wenn wir es aber schaffen, Grünräume dicht vor den Türen hinzubekommen, beispielsweise durch vertikale Gärten, scheint das großen Einfluss auf die Stimmung der Anwohner zu haben.

Ein Schwerpunkt ihrer Tagung ist auch das Konzept der „Smart City“. Was genau verbirgt sich dahinter?

„Smart City“ ist eigentlich kein klar abgegrenzter Begriff. Häufig wird da­runter eine technologisch hoch aufgerüstete Stadt verstanden, die effizienter, nachhaltiger und auch ökonomischer sein soll – alles unter Sammlung, Verknüpfung und Auswertung von riesigen Datenmengen. Bekanntes Beispiel ist etwa die elektronische Regelung des Verkehrs. In Kopenhagen etwa gibt es Fahrradspuren, die durch Leuchtstreifen anzeigen, ob Fahrradfahrer bei einer bestimmten Geschwindigkeit die Grünphasen erwischen.

Wird das Konzept „Smart City“ dazu beitragen, die Umwelt lebenswerter zu gestalten?

Ziel ist es sicherlich, die Umwelt lebenswerter zu gestalten. Aber wer definiert, was lebenswerter ist und wie können wir in so komplexen Strukturen wie einer Metropole vorhersagen, ob unsere gut gemeinten Änderungen auch wirklich – und vor allem überall – Gutes bewirken? Im Grund wissen wir das noch nicht. Vorstellbar ist, dass durch eine „smarte“, also schlaue Verkehrsführung weniger Unfälle passieren. Die subtileren Folgen – und die Frage „Bewegen sich Leute danach mehr oder weniger?“ – sind sehr schwer vorherzusagen.

Wie weit wird im Ruhrgebiet bereits über „Smart City“ nachgedacht?

Es gibt ein paar Städte, die sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Mülheim gehört als einzige europäische Stadt zu den Top 7 der „Smart Citys“ weltweit. Bottrop ist Modellstadt der „Innovation City Ruhr“. Dort geht es um den klimagerechten Stadtumbau. Auch Dortmund soll zur „Smart City“ werden. Dort gibt es die Bewerbung um EU-Fördermittel aus dem Programm Horizont 2020 „Smart Citys und Communities“.

Sind unsere Städte auf die Umsetzung solcher Konzepte vorbereitet?

Die Technik entwickelt sich schnell. Aber auch die Menschen müssen mitkommen. Unser Problem ist, dass die Aufgaben in den Verwaltungen immer noch strikt nach Bereichen getrennt sind und häufig kein Austausch stattfinden kann.