Düsseldorf. . NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ist von ihrem starren Nein zu Strukturdebatten über das „Turbo-Abitur“ abgerückt.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) räumte am Freitag ein, dass seit Monaten im Land sehr intensiv über eine Reform des Turbo-Abiturs, des G8, diskutiert werde, auch innerhalb der SPD. Noch in den Sommerferien hatte Kraft Reformen abgelehnt und auf die 2014 festgelegten Verbesserungsvorschläge eines Runden Tisches von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) verwiesen. Jetzt rückteist von ihrem starren Nein zu Strukturdebatten über das „Turbo-Abitur“ abgerückt.
„Ich sehe ja auch, dass andere Positionen verändert werden, und wir versuchen, möglichst beieinander zu bleiben“, sagte Kraft. Ob sich die NRW-SPD schon bei ihrem Parteitag in Bochum in zwei Wochen auf eine gemeinsame Haltung zum „Turbo-Abi“ festlegen werde, sei ungewiss, sagte Kraft. Mehrere SPD-Unterbezirke hatten zuletzt eine Art „G8 Flexi“ gefordert mit einer flexibleren Oberstufe und einer wieder von fünf auf sechs Jahre verlängerten Mittelstufe. Kraft bezeichnete gestern die Verkürzung der Mittelstufe durch die schwarz-gelbe Landesregierung als „gravierenden Fehler“.
„Das hat zu einer Riesenbelastung für die Schüler geführt“
Die wieder aufgeflammte Debatte löst ein geteiltes Echo aus. Während sich die NRW-Unternehmerverbände für die Beibehaltung von G8 aussprechen, fordern Elternvertreter eine Rückkehr zur längeren Gymnasialzeit. Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbands NRW, kritisiert eine „kopflose Politik“ und warnt, eine neuerliche Reform werde „zu einem Aufschrei der Lehrer führen“. Er befürchtet ein „Organisationschaos“ an den Schulen. Das derzeit diskutierte „Flexi-Modell“ sei „wirklichkeitsfremd und nicht umsetzbar“. Besser wäre es, die Effekte der beschlossenen Verbesserungen am „Turbo-Abi“ abzuwarten.
Anders beurteilt die Bildungsgewerkschaft GEW den SPD-Vorstoß. „Wir streben keine Rückkehr zu G9 an“, so die NRW-Vorsitzende Dorothea Schäfer. Langfristig müsse aber die Sekundarstufe auf sechs Jahre verlängert werden, zudem wäre eine Oberstufe anzustreben, die je nach Schülerleistung zwei bis vier Jahre dauern könne.
Ähnlich äußerte sich Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung: „Entscheidend ist, dass die Mittelstufe wieder für alle Schulformen gleich lang ist, um die Durchlässigkeit zu gewährleisten.“ Schon früh habe man vor einer Verdichtung in dieser Phase gewarnt, jetzt zeige sich, dass dies „zu einer Riesenbelastung für die Kinder führte“.