Berlin. Das Ergebnis der Landtagswahl ist für CDU und SPD folgenschwer. Der Druck auf sie wird größer. Wie geht es für die Parteien nun weiter?

Die CDU der Kanzlerin nur noch drittstärkste Kraft, auch SPD und Linkspartei verlieren Stimmen, die Grünen verpassen sogar den Einzug in den Landtag: Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ist für viele eine Niederlage – und ein Triumph für die AfD, die auf Anhieb über 20 Prozent erreicht. Für alle Parteien ist das Ergebnis folgenschwer, für die Union ist es aber eine Katastrophe. Wie geht es jetzt für die Parteien weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum ist die Lage für die Union so brenzlig?

Extrem ungewöhnlich, dass sich die Kanzlerin im Ausland zur Lage daheim äußert – diesmal, beim G20-Gipfel in China, erscheint ihr genau das unumgänglich: Angela Merkel übernimmt die Verantwortung für die herbe Niederlage, da redet sie nicht lange drum herum. „Natürlich hat das mit der Flüchtlingskrise zu tun“, sagt sie in Hangzhou. Und: Alle müssten daran arbeiten, Vertrauen zurückzugewinnen. Aber wie, das weiß sie nicht genau. Die Zahl der Flüchtlinge reduzieren, mehr Abschiebungen – ein paar Brocken wirft sie ihren Kritikern hin.

Monatelang hat Merkel mit der CSU und deren Chef Horst Seehofer gestritten, jetzt droht aus ihrer eigenen Partei die größte Gefahr. Ausgerechnet in Merkels Heimat im Nordosten wird die CDU abgehängt von den Rechtspopulisten, das ist auch für sie persönlich bitter. Und die Zeit wird knapp: In zwei Wochen wird in Berlin das Abgeordnetenhaus gewählt, in drei Monaten muss sie auf dem Bundesparteitag der CDU erklären, ob sie weitermacht. Was bis vor kurzem fast undenkbar schien, ist ein bisschen wahrscheinlicher geworden: dass Merkel im September 2017 nicht wieder antritt. Aus freien Stücken, denn mit einem innerparteilichen Aufstand ist nach Ansicht des Politologen Karl-Rudolf Korte nicht zu rechnen.

Die SPD gewinnt die Landtagswahl

Bei der SPD wird das Ergebnis trotz starker Verluste gefeiert. Dennoch: Die große Gewinnerin ist die AfD, die als zweitstärkste Kraft hervorgeht.
Bei der SPD wird das Ergebnis trotz starker Verluste gefeiert. Dennoch: Die große Gewinnerin ist die AfD, die als zweitstärkste Kraft hervorgeht. © dpa
Ministerpräsident Erwin Sellering kann weiter regieren – mit wem, ließ er zunächst offen.
Ministerpräsident Erwin Sellering kann weiter regieren – mit wem, ließ er zunächst offen. © dpa
Als große Gewinnerin geht die AfD aus den Landtagswahlen hervor; die Emotionen kulminieren im Gesicht dieses AfD-Mitgliedes. Die Rechtspopulisten überholten die CDU und sind nun zweitstärkste Kraft in Schwerin.
Als große Gewinnerin geht die AfD aus den Landtagswahlen hervor; die Emotionen kulminieren im Gesicht dieses AfD-Mitgliedes. Die Rechtspopulisten überholten die CDU und sind nun zweitstärkste Kraft in Schwerin. © dpa
Die AfD war auf ihren Sieg vorbereitet: Mit einem Segelboot fuhren Spitzenkandidat Leif-Erik Holm und Frauke Petry nach Bekanntgabe der ersten Prognosen über den See zum Schloss Schwerin, das gleichzeitig der Landtag ist.
Die AfD war auf ihren Sieg vorbereitet: Mit einem Segelboot fuhren Spitzenkandidat Leif-Erik Holm und Frauke Petry nach Bekanntgabe der ersten Prognosen über den See zum Schloss Schwerin, das gleichzeitig der Landtag ist. © dpa
Hier feiern sich die Sieger: Spitzenkandidat Leif-Erik Holm (M.) und die beiden stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alexander Gauland (l.) und Beatrix von Storch (r.) auf ihrer Wahlparty.
Hier feiern sich die Sieger: Spitzenkandidat Leif-Erik Holm (M.) und die beiden stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alexander Gauland (l.) und Beatrix von Storch (r.) auf ihrer Wahlparty. © dpa
Bisher Partner in der großen Koalition: SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering (r.) und der Spitzenkandidat der CDU, Lorenz Caffier. Ob sie weiter zusammen regieren, ließ Sellering erst einmal offen.
Bisher Partner in der großen Koalition: SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering (r.) und der Spitzenkandidat der CDU, Lorenz Caffier. Ob sie weiter zusammen regieren, ließ Sellering erst einmal offen. © dpa
Geht es nach Lorenz Caffier, würde die Koalition mit der SPD fortgeführt werden. Trotzdem bleib das Ergebnis unterm Strich eine herbe Schlappe: Die CDU kam nur noch auf rund 19 Prozent.
Geht es nach Lorenz Caffier, würde die Koalition mit der SPD fortgeführt werden. Trotzdem bleib das Ergebnis unterm Strich eine herbe Schlappe: Die CDU kam nur noch auf rund 19 Prozent. © dpa
Die CDU hinter der AfD auf Platz drei – die Gesichter der Wahlparty sprechen Bände.
Die CDU hinter der AfD auf Platz drei – die Gesichter der Wahlparty sprechen Bände. © dpa
Lange Gesichter gab’s auch bei den Linken: Sie verloren mehr als fünf Prozentpunkte und waren damit die größten Verlierer der Wahl.
Lange Gesichter gab’s auch bei den Linken: Sie verloren mehr als fünf Prozentpunkte und waren damit die größten Verlierer der Wahl. © dpa
Die Partei hat in Mecklenburg-Vorpommern eigentlich eine solide Wählerbasis, nun büßte sie rund ein Drittel ihrer Stimmen ein.
Die Partei hat in Mecklenburg-Vorpommern eigentlich eine solide Wählerbasis, nun büßte sie rund ein Drittel ihrer Stimmen ein. © dpa
Noch schlimmer traf es die Grünen: Sie konnten die Fünf-Prozent-Hürde nicht nehmen und müssen ihren Platz im Landtag räumen.
Noch schlimmer traf es die Grünen: Sie konnten die Fünf-Prozent-Hürde nicht nehmen und müssen ihren Platz im Landtag räumen. © dpa
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Die Schwesterpartei CSU lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich bestätigt fühlt: Merkels liberale Flüchtlingspolitik vergraule die Wähler und treibe sie in Scharen der AfD zu, sagt Generalsekretär Andreas Scheuer und vergisst auch das Reizwort „Obergrenze für Flüchtlinge“ nicht. Der Druck auf Merkel, mit ihrer Politik nach rechts zu rücken, dürfte zunehmen, aber eben nicht nur aus der CSU.

Kann sich die SPD wirklich über den Wahlsieg freuen?

Die Sozialdemokraten haben das Gefühl, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein, und dürfen auch mal wieder ein bisschen feiern. Blumen in Berlin für Erwin Sellering, den alten und neuen Ministerpräsidenten in Schwerin. Die SPD stellt weiter in 9 der 16 Bundesländer die Regierungschefs. Aber bundesweit verharrt die Partei unter ihrem Bundes-Chef Sigmar Gabriel nur leicht oberhalb der 20-Prozent-Marke. Auch sie hat Wähler an die AfD verloren. Auch ihr ist es nicht gelungen, aus dem Lager der Nichtwähler Unterstützung zu generieren. Die Versuchung ist groß, sich in der Flüchtlingspolitik noch stärker von der Kanzlerin abzusetzen. Parteienforscher Korte rät davon ab: Jede Form der Anbiederung stärke nur das Original.

Wie gefährlich ist die AfD für Merkel und die Union?

Das ist der Horror für Christdemokraten und Christsoziale gleichermaßen: „Ich glaube, dass wir, wenn das so weitergeht, die CDU als Partei der bürgerlichen Mitte ablösen werden“, sagte AfD-Vize Alexander Gauland am Montag. Tatsächlich hat die CDU 22.000 Wähler an die AfD abgegeben, so Infratest dimap im Auftrag der ARD. Doch auch die anderen Parteien lieferten eifrig zu. 15.000 kamen von der SPD, 16.000 von der Linken, vergleichsweise magere 3000 von den Grünen. Aber vor allem hat sich die AfD aus dem Lager der Nichtwähler genährt: 55.000 Stimmen kamen von dort.

Eine Volkspartei ist die AfD nach Auffassung der Wahlforscher jedenfalls nicht, sondern fest am rechten Rand verankert. Sie profitiere von fremdenfeindlichen Strömungen, die es in der Gesellschaft schon immer gegeben habe. AfD-Chefin Frauke Petry sprach genüsslich von Merkels „katastrophaler Migrationspolitik“ – wohl wissend, dass die Flüchtlingskrise Wasser auf ihre Mühlen ist.

Was bedeutet die Wahl für die Opposition im Bundestag?

Linke wie Grüne haben keinen Grund zum Jubel. Für die Grünen ist die Tatsache, dass sie an der Fünf-Prozent-Klausel gescheitert sind, ein herber Rückschlag für alle Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung 2017 im Bund. Da hilft auch die Erkenntnis wenig, dass sie weniger als andere Parteien an die AfD abgeben müssen. Angesichts der relativen Bedeutungslosigkeit des Landesverbands im Nordosten hoffen die Grünen jetzt auf die Wahl in Berlin, wo sie zusammen mit der SPD an die Regierung wollen.

Die Linkspartei dagegen verliert erheblich Stimmen an die AfD. Bedarf für eine Kursänderung sieht sie nicht. „Wir wollen nicht im Teich der AfD fischen“, betont Parteichef Bernd Riexinger mit Blick auf die Flüchtlingspolitik. Eine realistische Perspektive für eine Regierungsbeteiligung im Bund gibt es aber auch nicht. Höchstens die Hoffnung, dass es im Land Berlin zu Rot-Rot-Grün kommt. (dpa)