Hamburg/Berlin. Asylsuchende wollen in Deutschland schnell Geld verdienen. Mitarbeiter von Unterkünften nutzen das aus: Gegen Geld vermitteln sie Jobs.

Der Tipp kam von den Flüchtlingen selbst. Ein Asylsuchender lebte in einer Unterkunft im niedersächsischen Neu Wulmstorf bei Hamburg. Er suchte wie viele der Menschen aus Krisengebieten einen Job. Also fragte er einen Helfer in der Unterkunft. „Ich bat Herrn A., mir bei der Suche nach einer Arbeitsstelle zu helfen. Herr A. bot mir an, einen unangemeldete Stelle in einer Diskothek auf der Reeperbahn anzunehmen, das heißt also Schwarzarbeit. Als Gegenleistung sollte ich jedoch die Hälfte des Gehalts an ihn abgeben. Dazu war ich nicht bereit.“

Es ist einer der wenigen Fälle von gezielter Anwerbung für Schwarzarbeit unter Asylsuchenden, der nun öffentlich wurde. Dem NDR liegt eine schriftliche Aussage des Geflüchteten vor. Die Recherche wirft Licht auf eine Schattenökonomie, von der weder Zoll noch Ministerien oder Arbeitsämter auf Nachfrage dieser Redaktion eine genaue Vorstellung haben: den Schwarzmarkt der Geflüchteten.

Drei Monate dürfen Flüchtlinge nicht arbeiten

Etwa eine Million Menschen flohen 2015 nach Deutschland, viele sind jung, wollen Geld verdienen, mit dem sie hier leben können, das sie ihrer zurückgebliebenen Familie in der Heimat schicken. Oder mit dem sie ihre Schulden bei den Schleusern bezahlen müssen. Doch die Syrer, Afghanen oder Iraker durchlaufen erst das Asylverfahren. Drei Monate lang dürfen sie nicht arbeiten. Und auch danach ist die Suche nach einem Job mühsam. Häufig sprechen die Menschen kein Deutsch, ihre Abschlüsse werden hier nicht anerkannt. Sie leben zudem häufig mit Diskriminierung. Wer Geduld und Ausdauer hat, wählt dennoch den legalen Weg. Wer schnell einen Job will, kann auf illegalen Märkten suchen. Dabei gibt es offenbar Helfer – auch in Unterkünften.

Doch wie groß der Schwarzmarkt für Asylbewerber ist, bleibt eine Schätzung. Statistiken gibt es nicht, das gilt auch für andere Schattenökonomien wie bei der illegalen Arbeit von Hartz-IV-Empfängern. Erst seit Dezember 2015 sammelt das Bundeskriminalamt Daten zum Flüchtlings-Schwarzmarkt ein. Auswertungen fehlen bisher.

Niemand kennt die Zahl der Schwarzmarkt-Arbeiter genau

Was bleibt, sind Annäherungen. Das Bundesfinanzministerium gibt an, dass der Zoll bei seinen Prüfungen pro Monat bundesweit zwischen sechs und elf Geflüchtete bei Schwarzarbeit entdeckt. Wie sich der Markt entwickele, wolle man nicht bewerten. Der Zoll sagt: Ein überproportionaler Anstieg der Schwarzarbeit durch die gestiegene Zahl an Geflohenen sei nicht zu erkennen.

Die Forschung entwirft zumindest Szenarien. Friedrich Schneider von der Universität in Linz hat Zahlen, Alter und Bildung von Flüchtlingen in Deutschland und Österreich untersucht. Rund 300.000 illegal arbeitende Asylbewerber in Deutschland hält Schneider für realistisch. Geht man davon aus, dass etwa ein Syrer fünf Euro pro Stunde für seinen Job auf dem Schwarzmarkt „verdient“, ergibt das bei 20 Stunden in der Woche einen Lohn von 4800 Euro im Jahr. Somit hätte diese Schattenökonomie ein Volumen von 1,4 Milliarden Euro im Jahr. Andere Szenarien gehen von der Hälfte oder weniger aus, wieder andere von einer halben Million illegal beschäftigter Flüchtlinge.

Viele Schutzsuchende jobben zu Dumpinglöhnen

Und häufig werden die Menschen in ihrer Not ausgebeutet. Helfer und Gewerkschaften berichten im NDR von der Verzweiflung vieler Flüchtlinge. Die Arbeitsbedingungen und Sicherheitsmaßnahmen seien meist schlecht. Oft begnügten sich die Schwarzarbeiter mit Löhnen von nur drei Euro pro Stunde.

Das Unternehmen Human Care betreibt 39 Unterkünfte mit 3051 Bewohnern im Landkreis Harburg. Als der Fall des Mitarbeiters A. bekannt wurde, entließ das Unternehmen den Mann und stellte Strafanzeige. Die Polizei hat ein Verfahren eingeleitet. Es sei bisher der einzige Fall im Landkreis. „Herr A. steht im Verdacht, in der Unterkunft Flüchtlingen Wohnungen und Jobs gegen Geld angeboten zu haben“, sagte Human-Care-Sprecherin Sabine Henkel. Laut NDR sind auch Fälle aus Berlin, Hamburg oder Sachsen-Anhalt bekannt. Nicht immer sind die Vermittler Heim-Mitarbeiter. Fremde besuchen für das illegale Geschäft die Einrichtung und vermitteln Jobs.

Was die neuen Gesetze bewirken, ist bisher unklar

Die Firmen sind bei der Betreuung von Geflüchteten auf Menschen angewiesen, die Arabisch oder Farsi sprechen. Denn häufig sind Gespräche nur in ihrer Muttersprache möglich. Ein Problem wird das erst bei Missbrauch. So wie im Fall des Arabisch sprechenden A. in Neu Wulmstorf.

Mit Gesetzesänderungen will die Politik Asylbewerbern den Eintritt in den regulären Arbeitsmarkt erleichtern. So konnte ein Flüchtling bis 2014 ganze 15 Monate lang nicht arbeiten – heute sind es drei. Fast alle Kommunen entschieden sich zudem gegen die aufwendige Prüfung, ob sich vorrangig ein deutscher Arbeiter für einen Job findet. Denn gute Arbeitskräfte sind rar.

Bund und Länder legten nun Programme auf, in denen Flüchtlinge zeitgleich Sprache und Beruf erlernen sollen. Sanktionen wurden für Asylbewerber verschärft, die sich Bildungsmaßnahmen verweigern. Professor Schneider hält die Liberalisierung für sinnvoll und geht sogar noch weiter: „Um ein weiteres Abdriften der Flüchtlinge in die Schwarzarbeit zu verhindern, ist es unbedingt erforderlich, dass die Arbeitssuche schon in den ersten drei Monaten erlaubt wird.“