Essen. . Ministerpräsidentin Hannelore Kraft befeuert die Diskussion um Olympia in NRW. Oberbürgermeister wie Ullrich Sierau finden das gar nicht so schlecht

Fußball im Dortmunder BVB-Stadion; die Handball-Playoffs in der Schalke-Arena; Rudern auf der Regattastrecke in Duisburg-Wedau; Reiterwettbewerbe in Aachen und im westfälischen Warendorf; das Pressezentrum in der Medienmetropole Köln; das krönende Abschlussfeuerwerk am Düsseldorfer Rheinufer: An Fantasie für Olympische Spiele in NRW mangelte es noch nie. Schon die Olympiabewerbung Düsseldorfs, das Anfang des Jahrtausends gemeinsam mit dem Ruhrgebiet seinen Hut für die nationale Bewerbung um die Spiele 2012 in den Ring warf, scheiterte nicht aus Sorge um die Infrastruktur. Nur fünf der erforderlichen 43 Wettkampfstätten in der Rhein-Ruhr-Region hätten nach den damaligen Plänen neu gebaut werden müssen.

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Düsseldorf ging dennoch leer aus. Die Bewerbung der Landeshauptstadt mit dem Ruhrgebiet als Hinterland sei zu klein gedacht gewesen, glaubt Ullrich Sierau (SPD) heute. „Im internationalen Maßstab sind einzelne deutsche Städte kaum mehr wettbewerbsfähig. Selbst Berlin nicht“, ist Dortmunds Oberbürgermeister überzeugt.

Bewerbungen scheiterten zuletzt am Bürgerwillen

Sierau, der auch die politische Stimme der drei großen NRW-Olympiastützpunkte in Dortmund, Essen und Köln ist, treibt das olympische NRW-Fieber schon länger an. Das hat Tradition in der Fußballstadt Dortmund. Schon in den 80er-Jahren verfolgte Sieraus Amtsvorgänger Günter Samtlebe die Idee von Olympia im Ruhrgebiet – beeindruckt durch die ungeheuere Entwicklung, die München nach den Spielen ‘72 nahm.

Die jüngere Geschichte deutscher Olympia-Bewerbungen ist freilich eine Geschichte des Scheiterns. Leipzig, das 2003 national den Vorzug erhielt vor Düsseldorf, ging international baden. Der Bürgerwille trat das olympische Feuer in München (für die Winterspiele 2022) und Hamburg (Sommerspiele 2024) aus, noch bevor es überhaupt lodern konnte. Die hemmungslose Kommerzialisierung der Spiele, die Skandale um Doping und Korruption der Sportfunktionäre haben zusätzlich verbrannte Erde hinterlassen.

Düsseldorfs OB bringt Olympia in NRW schon 2014 ins Gespräch

Umso überraschender jetzt, dass der Sommerloch-Vorschlag des Sportevent-Managers Michael Mronz für Olympische Spiele in der Rhein-Ruhr-Region auf fruchtbaren Boden fällt. Schon Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hatte beim Amtsantritt vor zwei Jahren die Idee einer erneuten Olympia-Bewerbung der Landeshauptstadt wiederbelebt.

Jetzt ist die olympische NRW-Fackel in der Düsseldorfer Staatskanzlei angekommen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) griff das Thema in einem Interview auf. Die als sportbegeistert geltende Regierungschefin steckte mit ihrem Bekenntnis vom „bürgernahen, bodenständigen, ökologischen Olympia von Köln bis zum Ruhrgebiet“ zugleich die Eckfahnen für eine Bewerbung ganz Nordrhein-Westfalens fest.

Der Gedanken setzt sich zunehmend in den Städten durch. „Eine Olympia-Bewerbung sollte ganz NRW erfassen“, ist sich Sierau sicher, gleich ob am Ende Köln als größte NRW-Stadt den Hut auf habe, Düsseldorf, Essen oder Dortmund. Die Federführung sollte bei der Landesregierung liegen. Hannelore Kraft sieht das wohl ähnlich. Sie will Olympia vom Landtag diskutieren lassen.

Im Interview: Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) hält Spiele ab 2032 für realistisch. 

Der Ruf des Spitzensports und seiner Funktionäre ist nicht der beste. Warum sollten wir da Olympische Spiele nach NRW holen?

Dortmunds OB Ulrich Sierau kann sich Olympische Spiele 2036 in Deutschland vorstellen, bei denen sich ein faires, weltoffenes Deutschland präsentiert, das auch globale Verantwortung übernimmt.
Dortmunds OB Ulrich Sierau kann sich Olympische Spiele 2036 in Deutschland vorstellen, bei denen sich ein faires, weltoffenes Deutschland präsentiert, das auch globale Verantwortung übernimmt. © Ingo Otto / Funke Foto Services

Ullrich Sierau: Durch die Kommerzialisierung der Spiele, die Dopingaffären und die Korruptionsfälle in der Führungsetage des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat der olympische Gedanke extrem gelitten. Das führt bei vielen zu einer ablehnenden Haltung. Auch wegen der immens gestiegenen Kosten gibt es weit verbreitete Zweifel am Format Olympische Spiele. Die guten Einschaltquoten im Fernsehen zeigen aber, dass das Interesse an den Wettkämpfen durchaus groß ist und die Menschen begeisterungsfähig sind.

TV-Quoten sind das eine. Die Spiele auszurichten etwas ganz anderes.

Sierau: Der Gedanke von Olympischen Spielen an Rhein und Ruhr ist attraktiv, die Stimmung bei den Verantwortlichen im Land wohl eher positiv. Es müssen allerdings Spiele ganz anderer Natur sein. Saubere Wettkämpfe. Spiele, die auch lange nach ihrem Ende erkennbar etwas bringen für die Menschen vor Ort. Etwa bei den Stadien und Sportstätten, den Verkehrswegen oder dem touristischen Angebot.

Sie fordern vom IOC eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen Werte der olympischen Bewegung. Das kann dauern.

Sierau: Wir können nicht warten, bis sich das IOC endlich reformiert hat. Mein Vorschlag: Die Landesregierung sollte sich im Auftrag des Landtags zunächst an eine Bestandsaufnahme und eine Schwachstellenanalyse der vorhandenen Sportstätten und der dazugehörigen Infrastruktur des Landes begeben. Was haben wir? Was brauchen wir? Diesen Kassensturz der technischen Voraussetzungen kann ein kleines Team aus dem Städtebau- und Sportministerium mit den Städten, den Olympiastützpunkten und den Sportverbänden erarbeiten. Teure externe Gutachten sind nicht nötig. Wir haben den Sachverstand im Land.

Ab wann ist eine Bewerbung vorstellbar?

Sierau: Nach der Logik der Vergabepraxis kommt Europa möglicherweise erst 2032 wieder zum Zuge. Ich persönlich würde 2036 in den Blick nehmen. 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin 1936 könnte man der Welt – wie bei der Fußball-WM 2006 – ein faires, weltoffenes Deutschland zeigen, das auch globale Verantwortung übernimmt.

Wie überzeugt man die Menschen?

Sierau: Man muss sie mitnehmen. Nur so kann man Vorbehalte abbauen und Begeisterung wecken. Dass ein Referendum mit einer simplen Ja-Nein-Antwort das richtige Werkzeug ist, bezweifele ich. Ich warne vor jeder Form von Oberflächlichkeit bei dem Thema. Wir brauchen vernünftige Beteiligungsprozesse.