St. Petersburg. Lange herrschte Eiszeit zwischen Russland und der Türkei. Am Dienstag trafen sich die Präsidenten Putin und Erdogan erstmals wieder.
- Nachdem die Türkei im November 2015 einen russischen Kampfjet abschoss, herrschte lange Funkstille
- Erdogan hofft auf Ende des russischen Importstopps für Obst und Gemüse
- Außenminister Steinmeier befürchtet nicht, dass die Türkei sich von der Nato abwenden könnte
Nach monatelanger Krise zwischen Russland und der Türkei sind die Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan erstmals wieder zusammengekommen. Das Treffen in Putins Heimatstadt St. Petersburg am Dienstag sollte das russisch-türkische Verhältnis festigen, das seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei Ende November zerrüttet war. Die Wiederaufnahme der Beziehungen sei im Interesse des türkischen wie des russischen Volkes, sagte Putin bei der im Staatsfernsehen übertragenen Begrüßung.
Putin begrüßt Erdogan in St. Petersburg
Die Türkei und Russland wollen im Zuge ihrer Entspannungspolitik nun offenbar doch die Schwarzmeer-Pipeline TurkStream bauen. Das Projekt werde zügig umgesetzt, sagte der Erdogan nach dem Treffen mit Putin in St. Petersburg. Beide Länder seien entschlossen, ihre Beziehungen wieder zu normalisieren.
Nach den ursprünglichen Plänen soll von der südrussischen Stadt Anapa eine Leitung unter dem Schwarzen Meer bis nach Kiyiköy im europäischen Teil der Türkei verlegt werden. Die Pipeline soll eine Kapazität von 63 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr haben. Die Auswirkungen auf Europa sind noch nicht klar. Viele Politiker in der EU fordern schon länger, dass die Union von russischem Gas unabhängiger werden müsse. Wenn künftig über TurkStream Gas nach Europa fließt, würde allerdings sowohl die Abhängigkeit von Russland als auch von der Türkei steigen. Putin kündigte seinerseits an, die Sanktionen gegen die Türkei schrittweise aufzuheben.
Für Erdogan war der Besuch in der früheren Zarenmetropole zugleich die erste Auslandsreise seit dem gescheiterten Putschversuch von Mitte Juli. Putin und Erdogan wollten unter anderem über milliardenschwere Energieprojekte und den Krieg in Syrien sprechen. Erdogan reiste der türkischen Agentur Anadolu zufolge mit mehreren Ministern und Wirtschaftsvertretern nach St. Petersburg. Vor dem Gespräch sprach Erdogan von einer neuen Epoche im Verhältnis der beiden Länder.
Erdogan will Stopp der Sanktionen erreichen
Die Türkei hofft auf ein Ende von Sanktionen wie etwa die Aufhebung des russischen Importstopps für Obst und Gemüse. Für die angeschlagene türkische Tourismusbranche wiederum ist die Wiederannäherung wichtig, denn Russen gehörten vor der Krise zu den größten Urlaubergruppen. Danach brachen die Besucherzahlen aber fast völlig ein.
Die Türkei hatte Ende November einen russischen Kampfjet im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen. Moskau verhängte daraufhin Sanktionen gegen Ankara. Ende Juni bekräftigte Erdogan sein Bedauern über den Vorfall.
Türkische Regierungskreise versuchten vor der Reise, Sorgen zu zerstreuen, Erdogans Besuch könnte eine Abkehr des Nato-Landes von Europa bedeuten. „Nur weil man Putin besucht, bedeutet das nicht, dass man sich von der EU abwendet“, hieß es. Hauptziel sei, die Krise im türkisch-russischen Verhältnis hinter sich zu lassen.
Steinmeier begrüßt Annäherung
Die Türkei und Russland haben eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit vereinbart. Wie der russische Staatsfonds RDIF am Dienstag während des Moskaus-Besuches von Erdogan mitteilte, planen der Fonds und der türkische Baukonzern Rönesans gemeinsame Projekte etwa in den Bereichen Gesundheit und Infrastruktur mit einem Volumen bis zu 400 Millionen Dollar. Die beiden Unternehmen hatten die Summe bereits 2014 angekündigt.
Die Bundesregierung begrüßt die Annäherung zwischen Russland und der Türkei und sieht darin keine Abwendung der Regierung in Ankara von der Nato. „Es ist gut, dass es nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei im vergangenen Jahr wieder eine Annäherung gibt“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier der „Bild“-Zeitung. „Gleichzeitig glaube ich nicht, dass das Verhältnis zwischen beiden Ländern so eng wird, dass Russland der Türkei eine Alternative zur Sicherheitspartnerschaft der Nato bieten kann.“ Die Türkei müsse ein wichtiger Nato-Partner bleiben. (dpa)