Düsseldorf. . Polizei zeigt nach der Bluttat in München mehr Präsenz. Die in Bayern viel genutzte Katastrophen-Warnung „Katwarn“ nützt Bürgern an Rhein und Ruhr wenig
Was die Münchener Polizei am Freitag zum Schutz der Bevölkerung geleistet hat, wie sie mithilfe von Twitter, Facebook und der Katastrophenwarn-App „Katwarn“ informierte, wie sie behutsam Gerüchte und Halbwahrheiten korrigierte – das hinterließ den Eindruck einer bestens organisierten Polizei. Könnten sich die Bürger in NRW in einer so gefährlichen Situation ähnlich gut auf ihre Sicherheitsbehörden verlassen? Deren Ruf hatte ja zuletzt durch die Kölner Silvesternacht arg gelitten. Das Land beteuert, die Beamten an Rhein und Ruhr seien genauso gut auf Amokläufe vorbereitet wie die in Bayern.
„Die Polizisten trainieren das Vorgehen bei Amokläufen seit vielen Jahren“, sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums, ohne – aus Sicherheitsgründen – ins Detail zu gehen. Das Training geht auf die Erfahrungen mit dem Amoklauf im Jahr 2002 in Erfurt zurück. Damals erschoss ein junger Mann 16 Menschen in einer Schule.
Evakuierungspläne für große Plätze
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, erzählte, die Polizisten übten ähnliche Vorgehensweisen, wie sie in Sondereinsatzkommandos (SEK) üblich seien. „Die Kollegen können ja, wenn sie plötzlich in diese Situation geraten, nicht warten, bis das SEK kommt“, sagte Plickert. Geübt und in dieser Situation rechtlich ermöglicht wird auch der so genannte „Notzugriff“, der die Gefahr schnell beendet. „Das kann auch ein tödlicher Schuss sein“, sagte Plickert.
Für große Plätze und Gebäude, in denen viele Menschen zusammenkommen – Bahnhöfe, Flughäfen, Sehenswürdigkeiten – gibt es Evakuierungspläne, die in den Leitstellen in NRW bereitliegen. In München hatten Sicherheitskräfte unter anderem den Stachus-Platz besonders geschützt.
Beamte patrouillieren mit speziellen Schutzwesten und Maschinenpistolen
„Hochsensibilisiert und einsatzbereit“ seien die Polizisten auch in NRW gewesen, als in München die Fahndung nach dem Täter lief, versicherte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Auf der Düsseldorfer Rheinkirmes patrouillierten zwischenzeitlich Beamte mit speziellen Schutzwesten und Maschinenpistolen, eine erhöhte Polizeipräsenz wurde am Sonntag auch für das Libori-Fest in Paderborn angeordnet. Die Zufahrten zum Festbereich wurden mit Lkw-Sperren gesichert, Polizisten in Zivil mischten sich unter das Publikum. „Seit dem Anschlag in Nizza haben wir unsere Konzepte mehrfach angepasst“, meinte ein Sprecher des Innenministeriums. Die Polizei sei eine „lernende Einheit“. In Nizza war ein 31-Jähriger am französischen Nationalfeiertag mit einem Lastwagen auf der Strandpromenade in die feiernde Menge gefahren. 84 Menschen wurden getötet.
Von der Möglichkeit, sich via Smartphone über Gefahren zu informieren, machten Hunderttausende Bürger in München und Umgebung Gebrauch. Viel genutzt wurde das Katastrophen-Warnsystem „Katwarn“, das vom Fraunhofer-Institut im Auftrag der großen Versicherer in Deutschland entwickelt wurde und schon seit 2010 verwendbar ist. „Katwarn“ kann als kostenfreie App auf dem Smartphone installiert werden. 65 Kommunen und Kreise beteiligen sich an diesem Warn-Service, zahlreiche bayerische Städte sind darunter, ganz Rheinland-Pfalz setzt auf dieses Angebot.
Daher fällt auf, dass „Katwarn“ in NRW kaum verbreitet ist. Herford und Paderborn machen mit, die meisten großen NRW-Städte aber nicht. „Die Kommunen entscheiden selbst, ob sie mit ,Katwarn’ arbeiten möchten“, sagte Jan Stepic vom Verband der öffentlichen Versicherer auf Nachfrage. In NRW wollen sie es offenbar nicht.
Warnsystem hat 500 000 Nutzer
Das NRW-Innenministerium empfiehlt den Bürgern, die ebenfalls kostenfreie Warn-App „Nina“ des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) herunterzuladen. „Nina“ steht für „Notfall-Informations- und Nachrichten-App“. Sie soll im Ernstfall ähnlich warnen wie „Katwarn“. Angeschlossen an die lokalen Warnhinweise von „Nina“ sind vor allen Kommunen in NRW – darunter das ganze Ruhrgebiet, Köln und Bonn – sowie Brandenburg.
500 000 Nutzer zählt „Nina“ ein Jahr nach ihrer Einführung. Sie empfangen unter anderem Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes, Aber diese App kann viel mehr. „Sie ist konzipiert worden als Teil des Warnsystems des Bundes im Verteidigungsfall“, erklärte Beate Coellen, Sprecherin des BBK, und deshalb sei sie auch besonders sicher. Die Länder könnten „Nina“ darüber hinaus für alle möglichen Warnungen nutzen.