Cleveland. .

Die Krönungsmesse für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in Cleveland gerät immer mehr zur Pannenshow mit internationalen Auswirkungen. In einem Interview mit der „New York Times“ hat der 70-jährige Geschäftsmann die Grundfesten der Nato infrage gestellt. Sollte es zu einem russischen Angriff auf das Baltikum kommen, seit der Intervention Moskaus in der Ukraine ist dieses Szenario eine veritable Sorge in Estland, Litauen und Lettland, würde Amerika unter seiner Führung nicht automatisch innerhalb des Verteidigungsbündnisses Beistand leisten, sagte Trump. „Wenn sie ihren (finanziellen – d. Red.) Verpflichtungen uns gegenüber nachkommen, dann ja“, zitiert das Blatt den New Yorker Immobilienunternehmer auf die Frage, ob sich die Balten auf Amerika verlassen können.

Clinton: „Reagan und Truman würden sich schämen“

Trumps Konkurrentin um die Präsidentschaft, die Demokratin Hillary Clinton, reagierte sofort und betonte, dass die Beistandsgarantien in der Nato „absolut wasserdicht“ seien: „Ronald Reagan und Harry Truman würden sich schämen. Republikaner, Demokraten und Unabhängige, die geholfen haben, das erfolgreichste Militärbündnis der Geschichte aufzubauen, würden alle zu der gleichen Schlussfolgerung kommen: Donald Trump ist grundsätzlich ungeeignet, unser Commander-in-Chief zu sein.“

Trump knüpfte mit seinen Äußerungen an Bemerkungen aus dem Frühjahr an, die international Besorgnis ausgelöst hatten. Sein Tenor damals wie heute: Amerika könne sich die finanziellen Lasten des Verteidigungsbündnisses nicht mehr länger leisten. Nach Zahlen des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri gaben die USA im vergangenen Jahr fast 600 Milliarden Dollar für Militärangelegenheiten aus. Innerhalb der Nato übernehmen die USA zwei Drittel der Kosten.

Trump: „Wir werden uns zunächst um unser eigenes Land kümmern“

Trumps Eintreten für eine reine Kosten-Nutzen-Erwägung in der internationalen Sicherheitspolitik hatte im März auch innerhalb der republikanischen Partei Kritik ausgelöst. Rivalen wie John Kasich oder Ted Cruz verwehrten sich dagegen, in der Nato Beistand nur nach Kassenlage zu gewähren. Trump bleibt dabei: „Wir werden uns zunächst um unser eigenes Land kümmern, bevor wir uns über die Probleme aller anderen auf der Welt Sorgen machen.“

In Cleveland setzte ihm ein ehemaliger Rivale schwer zu. Texas-Senator Ted Cruz sorgte am Mittwochabend (Ortszeit) in der Quicken Loans Arena für hässliche Szenen. Der erzkonservative Republikaner hatte bei den Vorwahlen als Zweiter hinter Trump abgeschnitten. Während der Vorwahlen hatte Trump den rhetorisch beschlagenen Juristen als „Lügen-Ted“ abgekanzelt. Umso erstaunlicher, dass Cruz als einer der wenigen Promi-Republikaner in Cleveland auftrat. Wie er es tat, das sorgte fast für Tumulte.

Cruz forderte die Republikaner im Saal und an den Fernsehschirmen auf, am Wahltag im November allein „ihrem Gewissen“ zu folgen. „Stimmt für den Kandidaten, dem ihr vertraut, dass er unsere Freiheiten verteidigen und die Verfassung respektieren wird“, sagte Cruz, „wir verdienen Führer, die für Prinzipien stehen, die uns alle auf der Grundlage gemeinsamer Werte vereinen, die Liebe an die Stelle der Wut setzen.“ Im Saal wurden diese Sätze als Breitseiten gegen Trump gewertet, der über Monate gegen gesellschaftliche Minderheiten wie Latinos und Muslime zu Felde gezogen war.

Weil Cruz sich die erhoffte Wahlempfehlung für Trump versagte (er gratulierte ihm lediglich beiläufig zur Nominierung), regte sich unter den Delegierten schnell lautstarker Protest, „Wir wollen dich hier nicht, Ted, geh nach Hause“, riefen erzürnte Mitglieder der Delegation aus New York. Kurz darauf folgten Buhrufe und obszöne Gesten. Cruz rang um Fassung. Seine Frau Heidi wurde aus Sicherheitsgründen aus dem Saal geführt. Trump twitterte später: „Keine große Sache!“

US-Medien sprachen von einem „handfesten Eklat“, der Cruz’ Ambitionen auf das Präsidentschaftsticket 2020 beschädigen könnte. Cruz habe seinem Rivalen auf offener Bühne die Gefolgschaft verweigert und den Fehdehandschuh hingeworfen. „Die Risse in der republikanischen Partei sind riesig groß“, befand die „Washington Post“.