Es kennzeichnet despotische Regime, dass sie zuerst nach der geistigen Elite greifen, um mögliche Gegner auszuschalten. Lehrer, Denker, Künstler, Journalisten, Schriftsteller, Wissenschaftler – stets waren sie die ersten Opfer. Der Grund ist simpel: Nimmt man dem Volk die Wortführer, nimmt man ihm die Sprache. Kritik wird unmöglich.
Genau das ist der Sinn von Erdogans Amoklauf gegenüber Akademikern: die Vernichtung des freien Geistes. Entlassungen, Suspendierungen, Ausreiseverbote, Einschüchterungen, Schikanen, Verhaftungen – Tausende Beamte im Bildungsministerium, Lehrer und Forscher wurden mit einem Schlag ausgeschaltet. Schon zuvor gab es Repressalien an Hochschulen. Wer für einen kritischen Umgang mit der türkischen Geschichte eintrat oder gar für Frieden in der Kurdenregion, machte sich verdächtig. Gegen Hunderte Hochschullehrer laufen Disziplinarverfahren. Das Denunziantentum hat Konjunktur. Was den Durchgriff der Regierung erleichtert: Die Rektoren türkischer Universitäten werden vom Staatspräsidenten ernannt. Von Freiheit der Wissenschaft kann so keine Rede sein.
Wissenschaft ist international, sie braucht Austausch und Vielfalt. Doch genau dagegen geht Erdogan vor – es soll nur noch eine Stimme sprechen. Die Türkei setzt mit dem Rundumschlag gegen die Köpfe des Landes ihre Zukunft aufs Spiel.