Köln. . Wissenschaftliche Studie zeigt keinen Zusammenhang zwischen Straftaten und Herkunft von Tätern. Neue Probleme bereiten Tatverdächtige aus Nordafrika.
Migranten und zugewanderte Flüchtlinge sind nicht krimineller als Deutsche, obwohl die Zahl der Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit seit 2008 um 34 Prozent anstieg. Hauptgrund dafür sei die Zunahme von Ausländern in der Allgemeinbevölkerung (etwa 35 Prozent seit 2008). Zu diesen Ergebnissen kommt eine wissenschaftliche Untersuchung des Kriminologen Christian Walburg aus Münster, die am Mittwoch in Köln vorgestellt wurde. Das Gutachten wurde im Auftrag des Mediendienstes Integration erstellt.
Nicht erst seit den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht von vorwiegend jungen nordafrikanischen Männern wird eine zentrale Frage öffentlich breit diskutiert und bestimmte auch die Landtagswahlkämpfe in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im Frühjahr. Steigt durch die Flüchtlinge und Zuwanderer die Kriminalität in der Bundesrepublik deutlich an und gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen beiden? Kurz: Sind Migranten und Flüchtlinge „krimineller“ als die Mehrheitsbevölkerung?
Mehr Ladendiebstählen
Kriminologe Christian Walburg verneint dies. Die Herkunft lasse keine Rückschlüsse auf die Straffälligkeit zu. „Da beide Größen rasch wandelbare und vielgestaltige soziale Phänomene sind, gibt es keinen einfachen Zusammenhang zwischen Migranten und Kriminalität.“ Zwar existierten zu den Vorfällen und Tätern aus der Neujahrsnacht noch keine empirischen Untersuchungen, auf die die Wissenschaft sich hätte stützen können, doch seien die Kriminalstatistiken der vergangenen Jahrzehnte in dieser Hinsicht eindeutig. Sie ließen keinen direkten Zusammenhang zwischen Delinquenz, also Straffälligkeit, und ethnischer oder gar religiöser Herkunft erkennen. Dies, so der Forscher, gelte für die Flüchtlingsdebatte ganz allgemein, aber auch speziell für die Silvesternacht in Köln.
„Jeder Einzelfall ist zu prüfen. Pauschalisierungen helfen nicht weiter, vielleicht nur denjenigen, die am rechten Rand der Gesellschaft unterwegs sind und die in allem Übel die Migranten sehen“, sagte Ulf Küch, langjähriger Kripo-Chef aus Braunschweig und bekannt geworden durch sein Buch „Soko Asyl“. Darin berichtet Küch über die Flüchtlingskriminalität aus Sicht des Praktikers.
Asylbewerber werden laut der Studie vor allem bei Bagatelldelikte wie Ladendiebstahl (39 Prozent) sowie „Schwarzfahren“ (18 Prozent) auffällig. Insgesamt sei aber gerade unter Asylsuchenden die Zahl Straffälliger sehr gering, so die Experten. „Nur ein kleiner Teil von Asylsuchenden werde wegen Straftaten registriert“, erklärte Walburg.
Bildung und Integration verbessert Teilhabechancen der Migranten
Insbesondere auf Taschendiebstähle und Wohnungseinbrüche beruhe ganz wesentlich die Zunahme der Zahl ausländischer Tatverdächtiger, so Christian Walburg. Ein Teil dieser Delikte werde aber von Ausländern verübt, die für ihre Taten kurzfristig einreisten. Die Zahl der Ausländer, die wegen schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten angezeigt wurden, sei seit 2008 zudem weniger stark gestiegen als die Zahl der hier lebenden Ausländer. Von einem überproportionalen Anstieg der Kriminalität unter Ausländern könne demnach nicht die Rede sein. Allerdings stellen gerade die Zuwanderer aus den Maghreb-Staaten die Behörden vermehrt vor neue Probleme. „Aus diesem Milieu ist in der Tat eine Zunahme an Straftaten zu beobachten“, sagte Walburg. Er sehe aber eher die Lebenssituation und die geringe Bleibeperspektive von Nordafrikanern als Grund an – nicht ihre arabische Herkunft.
Insgesamt sei sogar bei jungen Migranten, die erfahrungsgemäß häufiger mit dem Gesetz in Konflikt kommen als gleichaltrige Deutsche, ein Rückgang bei Gewaltdelikten zu beobachten. Walburg lobte die Integrationsarbeit von Bund, Ländern und Kommunen, forderte zugleich aber noch mehr Engagement und echten Teilhabechancen für Migranten.