Aachen. . Gewerkschaft der Polizei und Politiker beklagen, an der Grenze zu Belgien sei ständig nur eine Not-Besetzung der Bundespolizei. Behörde widerspricht.

Nach den Terroranschlägen von Paris im November 2015 war für ein paar Wochen Schluss mit der Freizügigkeit an der Grenze bei Aachen. Die deutschen Sicherheitskräfte kontrollierten damals intensiv und mit Erfolg. Ihr Auftrag war in erster Linie das Aufspüren von Terroristen. Aber so ganz „nebenbei“ wurden 240 Personen festgenommen, nach denen deutsche und ausländische Behörden gefahndet hatten.

Es wurde Diebesgut im Wert von 150.000 Euro sichergestellt. Und die Zahl der Einbrüche sank in der Region plötzlich um 63 Prozent. Es scheint sich also für Bundespolizisten zu lohnen, an dieser Grenze auch in „ruhigeren“ Zeiten genauer hinzusehen. Tatsächlich aber, behauptet die Gewerkschaft der Polizei (GdP), wird an dieser Stelle im Normalfall nur mit einer Not-Besetzung gearbeitet.

Michael Schaffrath, Bundespolizist und Gewerkschafter in Aachen, rechnet vor, dass der Dienststelle dort statt der eingeplanten 290 Beamten nur rund 165 zur Verfügung stünden. „Dadurch entstehen Lücken bei der Überwachung. Und diese Lücken nutzen andere aus, die versuchen, unerkannt nach Deutschland zu kommen“, sagt Schaffrath.

„Schlecht gesicherte Grenze“

Arnd Krummen gehört dem Vorstand des GdP-Bezirkes Bundespolizei in NRW an. Für ihn ist die Grenze bei Aachen sogar „die am schlechtesten gesicherte Grenze in Deutschland“. Immer wieder, erzählt er, müssten Aachener Bundespolizisten am Flughafen Köln/Bonn aushelfen. Die fehlten dann in der Grenzregion und in den Bahnhöfen.

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Außerdem seien die Bundespolizisten im Moment sehr damit beschäftigt, sich um „Rücküberstellungen“ zu kümmern. Damit sind Männer und Frauen gemeint, deren Asylverfahren in Deutschland durchgeführt wird, die aber in ein weiteres Land gezogen sind. Belgien schickt gerade besonders viele illegal Eingewanderte zurück in die Bundesrepublik, so Krummen. Und schließlich seien noch immer Hunderte Bundespolizisten aus NRW in Süddeutschland zur Grenzsicherung im Einsatz.

„Die Situation ist für die Beamten in Aachen, die eine 200 Kilometer lange Grenze überwachen sollen, extrem schwierig“, sagte Ulla Schmidt, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Aachen, dieser Redaktion. Sie kennt die Personalprobleme bei der Bundespolizei dort. Zwar habe der Bundesinnenminister der Dienststelle 29 zusätzliche Stellen zugesagt. „Aber es steht zu befürchten, dass auch diese Polizisten dann an Flughäfen oder an anderen Grenzen in Deutschland eingesetzt werden. Das darf nicht passieren“, sagt Schmidt. „Diese 29 Kollegen sind ja noch gar nicht hier. Wir brauchen sie aber sofort“, ärgert sich Michael Schaffrath.

Sicherheitsmängel am Flughafen

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wilfried Oellers aus Heinsberg hat gute Kontakte zur Aachener Bundespolizei, wie er sagt. Auch er habe erfahren, dass die Dienststelle nur die Hälfte des nötigen Personals habe. „Diese Planstellen müssen besetzt werden“, fordert Oellers. „Der Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei umfasst doch nicht nur Flughäfen oder Bahnhöfe, sondern auch den ländlichen Raum.“ Und dort finde kaum Kontrolle statt. Angesichts der vielen Einbrüche in der Region müsse die Überwachung der Grenze deutlich intensiviert werden, so Oellers.

Auf dem Flughafen Köln/Bonn hingegen, der zuletzt mehrfach durch Sicherheitsmängel auffiel, ist die Bundespolizei so gefordert wie noch nie. „Nach den Terroranschlägen von Brüssel zeigt sie viel Präsenz und hat ihre Streifen verstärkt“, sagte am Donnerstag Athanasios Titonis, Technischer Geschäftsführer des Flughafens, im Verkehrsausschuss des Landtages. IS-Propaganda hatte den Flughafen Köln/Bonn nach den Anschlägen in Brüssel als deutsches Ziel für Terroristen ausgewiesen.

Dennoch gab es am Donnerstag Wirbel um die Sicherheitslage am Airport Köln/Bonn. Wegen akuten Personalmangels bei den privaten Sicherheitskräften sollen sich immer wieder lange Schlangen vor den Kontrollbändern bilden. Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim sagte, es fehlten in Stoßzeiten bis zu 70 Luftsicherheitsassistenten.

Bundespolizeidirektion widerspricht den GdP-Vorwürfen

Die für NRW zuständige Bundespolizeidirektion St. Augustin weist die Vorwürfe der Polizeigewerkschaft GdP, die Grenzregion zu Belgien könne wegen Personalmangels nur unzureichend überwacht werden, zurück. „Grenzüberwachungsmaßnahmen zu Belgien und den Niederlanden im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris und Brüssel und mit der EM in Frankreich spielen eine wichtige Rolle“, erklärte ein Sprecher am Freitag gegenüber dieser Zeitung.

Die Einsatzlage werde ständig den Erfordernissen angepasst. Wenn das Polizeipersonal vor Ort diese Lage allein nicht bewältigen könne, würden Dienstpläne umgestellt und gegebenenfalls Verstärkung angefordert: zum Beispiel Bundespolizisten aus benachbarten Dienststellen, „mobile Kontrollüberwachungseinheiten“ oder Bundesbereitschaftspolizisten. Anlässlich der Fußball-EM seien zuletzt viele zusätzliche Bundespolizeikräfte eingesetzt worden.

Von den Bundespolizisten werde zunehmend eine größere Flexibilität verlangt, und die Belastung sei größer geworden, so der Sprecher. Es gebe aber kein „Sicherheitsdefizit“.

Die Bundespolizeidirektion bestreitet, dass Bundespolizisten aus Aachen am Flughafen Köln/Bonn eingesetzt werden. Die GdP hatte mehrfach die aus ihrer Sicht übliche Praxis kritisiert, Bundespolizeibeamte aus Aachen und Kleve an den Airports Köln/Bonn und Düsseldorf einzusetzen.