Berlin. Attentäter haben sich auf dem Istanbuler Flughafen in die Luft gesprengt. Was wir bisher über den Terrorangriff wissen – und was nicht.

  • Unter den Opfern sind nach Angaben der türkischen Regierung 23 Türken und 13 Ausländer.
  • Erste Hinweise deuten auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als Urheber des Anschlags hin.
  • Fotos vom Anschlagsort zeigen ein Bild der Verwüstung außerhalb des Ankunftsterminals.

Nach dem verheerenden Terrorangriff auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen gehen die Ermittlungen zu den Drahtziehern der Bluttat weiter. Mindestens 42 Menschen wurden von den drei Terroristen getötet, die Zahl der Verletzten liegt bei rund 239. Ein Überblick:

Was ist passiert?

Ein Schnellfeuergewehr liegt auf dem Boden des Terminals des Atatürk-Flughafens.
Ein Schnellfeuergewehr liegt auf dem Boden des Terminals des Atatürk-Flughafens. © REUTERS

Am späten Dienstagabend gegen neun Uhr haben nach offiziellen Angaben drei Selbstmord-Attentäter einen Anschlag auf den Istanbuler Atatürk-Airport verübt. Nach bisherigen Erkenntnissen kamen die Angreifer in einem Taxi zum Flughafen. Dort eröffneten sie mit Kalaschnikow-Gewehren das Feuer und sprengten sich in die Luft.

Einer der drei Selbstmordattentäter vom Istanbuler Atatürk-Flughafen gelangte nach Angaben aus Regierungskreisen in die Abflughalle des Internationalen Terminals. Der erste Attentäter habe sich an der Sicherheitskontrolle im Eingangsbereich in die Luft gesprengt und damit Chaos ausgelöst, sodass der zweite Attentäter ins Gebäude gelangen und seinen Sprengsatz in der Abflughalle im ersten Stock zünden konnte, hieß es am Mittwochabend aus Regierungskreisen.

Ein dritter Attentäter sprengte sich demnach anschließend draußen vor dem Gebäude in die Luft. Mutmaßlich habe er damit fliehende Menschen treffen wollen.

Wie viele Opfer gibt es und woher stammen sie?

Die Attentäter töteten am Dienstag Dutzende Menschen, darunter eine Deutsche. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete am Mittwochabend unter Verweis auf Quellen im Gesundheitswesen, eine lebensgefährlich verletzte Frau sei inzwischen ebenfalls gestorben und die Zahl der Todesopfer damit auf 42 gestiegen. Mindestens 239 Menschen wurden verletzt. Auch die drei Attentäter sind tot.

Unter den Getöteten sind nach Angaben der türkischen Regierung mindestens ein Iraner und ein Ukrainer. Fünf weitere Iraner seien verletzt worden, einer von ihnen schwebe in Lebensgefahr, sagte Vizeaußenminister Hassan Ghaschghawi der Nachrichtenagentur Isna. Eine Deutsche wurde leicht verletzt

Wer sind die Angreifer?

Nach derzeitigen Erkenntnissen handelt sich um drei Selbstmordattentäter. Augenzeugen berichteten von schwarz gekleideten Männern. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte am Mittwochmorgen bei einem Besuch am Flughafen, erste Hinweise deuteten auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als Urheber des Anschlags hin. Fotos von Überwachungskameras sollen zwei der Attentäter zeigen. Einer der Männer trägt bei 23 Grad eine Daunejacke.

Ein Video zeigt, wie ein Angreifer niedergeschossen wird, seine Waffe dabei verliert und dann offenbar seine Sprengstoffweste zündet.

Was wissen wir über das Anschlagsziel?

Eine Satellitenaufnahme vom Flughafen Istanbul-Atatürk.
Eine Satellitenaufnahme vom Flughafen Istanbul-Atatürk. © dpa

Der Atatürk-Airport ist ein symbolträchtiges Anschlagsziel und wirtschaftlich von hoher Bedeutung für die Türkei, die sowieso schon schwer unter dem Rückgang der Touristenzahlen leidet. Der größte Flughafen des Landes fertigt in etwa so viele Passagiere ab wie der Airport in Frankfurt am Main – und wächst viel schneller als die deutsche Konkurrenz. Der Flughafen trägt den Namen des Staatsgründers und steht für den wirtschaftlichen Aufschwung der Türkei.

Anders als auf Flughäfen in der EU üblich finden in türkischen Airports Sicherheitskontrollen schon vor dem Eingang ins Terminal statt. So ist das auch im Atatürk-Airport, Gepäck wird vor dem Eingang durchleuchtet, Passagiere müssen durch Metalldetektoren. Das Sicherheitspersonal steht nicht im Ruf, seinen Dienst lax zu verüben – dafür ist die Terrorbedrohung in der Türkei zu hoch.

Wie viel Anschläge gab es bereits in Istanbul?

Es ist bereits der vierte Anschlag in Istanbul in diesem Jahr.
Es ist bereits der vierte Anschlag in Istanbul in diesem Jahr. © REUTERS

Es ist bereits der vierte schwere Terrorangriff in Istanbul in diesem Jahr, das gerade einmal zur Hälfte vorüber ist. Bei einem IS-Selbstmordanschlag im Istanbuler Zentrum waren im Januar zwölf deutsche Urlauber getötet worden. Neben dem IS verübt auch die TAK – eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK – immer wieder Anschläge in türkischen Metropolen. Vor drei Wochen erst waren bei einem Anschlag der TAK in Istanbuls Stadtmitte elf Menschen getötet worden. Dieses Attentat vom 7. Juni war der dritte schwere Anschlag seit Jahresbeginn im Zentrum Istanbuls.

Die TAK hat auch ausländische Urlauber vor Türkeibesuchen gewarnt. Im vergangenen Dezember hatte die Gruppierung einen Mörserangriff auf den Flughafen Sabiha Gökcen verübt.

Was müssen Reisende beachten?

Am Dienstagabend wurde der Flugverkehr vorübergehend komplett eingestellt, doch am Mittwoch wieder aufgenommen. Der Angriff sorgt allerdings für ein massives Chaos im Flugverkehr. Turkish Airlines strich für Mittwoch mehr als 340 Flüge.

Zunächst hieß es, dass es am Mittwoch keine Flüge von Berlin-Tegel in die türkische Metropole geben werde. Dann startete am Mittwochmorgen doch ein Flugzeug von Tegel. Dies sagte Flughafensprecher Lars Wagner der Deutschen Presse-Agentur. Ob die weiteren vier regulären Flüge abgesagt würden, sei eine Entscheidung der Fluggesellschaft Turkish Airlines. Unklar ist, ob Maschinen von Istanbul nach Tegel fliegen werden. Die Fluggäste sollten sich auf jeden Fall vor Reiseantritt informieren, ob ihr gebuchter Flug auch starten werde, sagte Wagner.

Eine am Dienstagabend mit 209 Passagieren und dem Ziel Istanbul von Berlin-Tegel aus eine Stunde verspätet gestartete Maschine der Turkish Airlines erreichte ihr Ziel nicht. Ursprünglich hieß es, sie solle nach Ankara umgeleitet werden. Laut Wagner kehrte die Maschine dann aber über der Slowakei um und flog zurück nach Tegel.

Das Auswärtige Amt aktualisierte in der Nacht zum Mittwoch seine Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei: Reisenden in Istanbul werde empfohlen, Kontakt mit ihrem Reiseveranstalter aufzunehmen und die aktuelle Berichterstattung der Medien zu verfolgen. Landesweit sei weiterhin mit politischen Spannungen sowie gewaltsamen Auseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen zu rechnen. Allgemein werde Reisenden in türkischen Großstädten zu erhöhter Vorsicht geraten – insbesondere auf öffentlichen Plätzen sowie vor touristischen Attraktionen und allgemein bei Menschenansammlungen.

Gäste von Veranstalter Thomas Cook können gebuchte Reisen nach Istanbul in dieser und der kommenden Woche kostenlos umbuchen oder stornieren. Auch über DER Touristik gebuchte Istanbul-Reisen und Ausflüge bis einschließlich 31. Juli können kostenlos umgebucht oder storniert werden. Gleiches gelte für Tui. Der größte deutsche Veranstalter hat außerdem sein Ausflugsprogramm nach Istanbul bis zum 31. Juli gänzlich abgesagt. Für alle anderen Ziele in der Türkei gelten die regulären Reisebedingungen, so Tui.

New York und der Nachbarstaat Newark erhöhten die Sicherheitsvorkehrungen auf den Flughäfen. Zuvor hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA sämtliche Flüge nach Istanbul gestrichen. Auch Flüge aus Istanbul in die USA waren von der Maßnahme betroffen.

Was wir nicht wissen:

• Der IS hat sich bisher nicht zum Anschlag bekannt. Ob die Terrormiliz also wirklich dahinter steckt, kann nur gemutmaßt werden, allerdings ähnelt der Anschlag in Istanbul dem in Brüssel. (jha/dpa/rtr)