Berlin. Die Bundesregierung will Geringverdienern mit jährlich bis zu 450 Euro beim Sparen fürs Alter helfen. Die FDP hält das für halbherzig.
Altersvorsorge ist wichtig – doch was tun, wenn am Monatsende kein Cent mehr dafür übrig ist? Um Geringverdiener, die keinen Spielraum für private Vorsorge haben, vor Altersarmut zu schützen, will die Regierung die Betriebsrenten stärker fördern. Nach dem Willen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll der Staat in Zukunft bei Geringverdienern ein Drittel der Sparsumme übernehmen, die Arbeitgeber die restlichen zwei Drittel. Bei einem staatlichen Zuschuss von 154 Euro pro Jahr käme so eine jährliche Sparleistung von rund 450 Euro heraus. Das Nettogehalt der Arbeitnehmer bliebe dasselbe.
„Wir sind bereit, staatliches Geld in die Hand zu nehmen“, sagte ein Sprecher des Finanzministers unserer Redaktion. „Wir wollen vor allem die kleinen und mittleren Betriebe dazu bringen, Betriebsrenten für Geringverdiener möglich zu machen.“ Für viele wäre das Neuland: „Ein Großteil dieser Unternehmen bietet bislang gar keine Betriebsrenten an.“ Derzeit haben 60 Prozent der Beschäftigten eine Betriebsrente. Während bei Betrieben mit mehr als 1000 Angestellten 84 Prozent der Beschäftigten über eine Betriebsrente verfügen, sind es bei kleineren Betrieben zwischen 50 und 250 Mitarbeitern nur 51 Prozent, bei Betrieben bis zu zehn Mitarbeitern ist es nur knapp jeder dritte Angestellte.
Finanzminister und Nahles verhandeln über die Details
Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz beschlossen werden. Bis dahin müssen Finanzminister Schäuble und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) noch weitere Details klären: So steht noch nicht fest, wer in den Genuss der neuen staatlichen Förderung kommen soll. Ein Gutachten im Auftrag des Finanzministeriums schlägt eine Einkommensobergrenze für Geringverdiener von monatlich 1500 Euro brutto bzw. 18.000 Euro pro Jahr vor. Beschäftigte mit so geringem Einkommen sind kaum in der Lage, zusätzlich Altersvorsorge zu finanzieren: Wer 1500 Euro brutto verdient, hat unter dem Strich kaum mehr als 1000 Euro netto zur Verfügung. Damit trotzdem viele in den Genuss einer Betriebsrente kommen, will die Regierung den Geringverdienern die Beiträge ersparen.
In Anlehnung an die Riester-Förderung könnte der staatliche Zuschuss bei 154 Euro pro Jahr liegen – so schlägt es zumindest das Gutachten des Finanzministeriums vor. Welche zusätzliche Belastung damit auf den Staatshaushalt zukommt – das will bislang niemand öffentlich beziffern. Das Finanzministerium bestätigte allerdings einen Bericht der „Rheinischen Post“, dem zufolge die neue Regelung auch für Minijobber gelten soll.
Ein Sprecher des Arbeitsministeriums betonte am Montag, dass Schäubles Vorschläge noch nicht abgestimmt seien – und zudem nur einen Teil des Gesamtkonzepts zur Stärkung der Betriebsrenten beträfen. Offen ist etwa die Frage der Haftung im Fall einer Unternehmenspleite – gerade bei kleinen und mittleren Betrieben: Wer springt ein, wenn Arbeitgeber die zugesagten Renten nicht zahlen können? „Wir suchen noch nach einer Lösung, die den kleinen und mittleren Unternehmen die Angst vor Haftungsrisiken nimmt“, sagte der Sprecher dieser Redaktion. Nahles hatte dazu ein Modell ins Gespräch gebracht, bei dem die Sozialpartner, also Gewerkschaften und Arbeitgeber, gemeinsam die Haftung für kleinere Betriebe übernehmen könnten. Offen ist auch noch die Frage, auf welche Weise der Staat Betriebsrenten für Geringverdiener bezuschussen wird. Nach Informationen dieser Redaktion werden derzeit zwei Modelle diskutiert: Die Unternehmen könnten die Förderung in Form einer staatlichen Geldzahlung bekommen oder als Entlastung bei der Lohnsteuer.
FDP fordert höheren Freibetrag bei der Grundsicherung
Kritik an den Regierungsplänen kam gestern von den Liberalen: FDP-Chef Christian Lindner hält die Regierungspläne für Zuschüsse zur Betriebsrente für halbherzig. Die Förderung der privaten Altersvorsorge sei zwar grundsätzlich sinnvoll, doch „besser als ein Betriebsrentenzuschuss wäre ein Freibetrag in der Grundsicherung“, sagte Lindner dieser Zeitung. „Damit würde sich die Altersvorsorge für alle immer lohnen.“ Bislang werden Zahlungen aus der privaten Rentenvorsorge auf die staatliche Grundsicherung angerechnet. Wer als Geringverdiener ein Leben lang Geld für die Altersvorsorge beiseitelegt, am Ende aber auf Grundsicherung angewiesen ist, hat umsonst gespart.
Durch den geplanten Zuschuss für die Betriebsrenten von Geringverdienern würden die Bruttolöhne um 1,5 bis zwei Prozent steigen – zusätzlich zu den Lohnerhöhungen, die die Gewerkschaften in Deutschland ohnehin verlangen. Gegenwehr aus der Wirtschaft ist deshalb zu erwarten. Allzu stark dürfte sie aber nicht ausfallen – was daran liegt, dass das Vorhaben für die Firmen freiwillig und nicht verpflichtend wäre.
Nicht nur deshalb wird sich auch der Effekt für die Beschäftigten in Grenzen halten: Niedrige Renten, die im Umkreis des Hartz-IV-Satzes liegen, steigen dadurch nur wenig. Die Bundesregierung hat aber die Hoffnung, dass sie damit einen Anreiz für Firmen und Beschäftigte bietet, noch etwas drauf zu packen. Weitere Einzahlungen in die Betriebsrente könnten dann auch zu höheren Auszahlungen führen. Nach ersten Schätzungen könnten etwa zwei Millionen Arbeitnehmer in den Genuss der neuen Zuschüsse kommen.
Im Herbst wird die Regierung neue Daten vorlegen
Im Herbst will die Bundesregierung neue Daten zur Lage der Rentenversicherung und zur Altersvorsorge vorlegen. Sie sollen die Grundlage sein für ein umfassendes Rentenkonzept, das Arbeitsministerin Nahles vor der Bundestagswahl 2017 vorlegen will. Denn: Trotz jahrzehntelanger Arbeit liegen immer mehr Ruhestandseinkommen am oder unter dem Existenzminimum. Die Betroffenen sind auf die Grundsicherung angewiesen.
Die Einführung einer Lebensleistungsrente für Beschäftigte mit kleinen Einkommen und die Reform der Betriebsrente dagegen gehören noch zu den Vorhaben, die sich die große Koalition in dieser Wahlperiode vorgenommen hatte. Die Betriebsrente soll dann als dritte Säule neben der gesetzlichen Rente und der privaten Riester-Rente die Altersvorsorge der Bundesbürger sichern.