Berlin. Neue künstliche Drogen sollen per Gesetz verboten werden, der Cannabis-Anbau hingegen erlaubt. Für Letzteres wurde nun der Weg geebnet.
Schwerkranke sollen Cannabis künftig auf Kosten der Krankenkasse erhalten. Das Bundeskabinett gab am Mittwoch grünes Licht für einen entsprechenden Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Mit einem Rezept sollen sich Schmerzpatienten, bei denen keine andere Therapie hilft, getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte aus der Apotheke besorgen können. Das Gesetz soll spätestens im Frühjahr 2017 in Kraft treten.
Bislang ist die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten auf Cannabisbasis grundsätzlich auf Fertigarzneimittel in jeweils zugelassenen Anwendungsgebieten begrenzt.
Auch der Anbau der Droge zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle soll ermöglicht werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte soll außerdem als staatliche Cannabisagentur fungieren und über den Anbau wachen. Um weitere Erkenntnisse über die Wirkung der Hanf-Arzneimittel zu bekommen, wird die Erstattung durch die Krankenkassen wissenschaftlich begleitet.
Eine generelle Cannabisfreigabe lehnt die Regierung aber weiterhin ab. Die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler sagte: „Cannabis ist keine harmlose Substanz. Daher darf es auch keine Legalisierung zum reinen Privatvergnügen geben.“
Legal Highs sollen verboten werden
Außerdem soll an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett ein weiterer Gesetzesentwurf beschlossen werden, bei dem es um neue künstliche Drogen geht. Mit dem Gesetz sollen sogenannte Legal Highs, verboten werden. Denn es werde den Konsumenten noch immer vorgegaukelt, diese psychoaktiven Stoffe seien harmlos, sagte Mortler. Sie seien jedoch äußerst gefährlich. Bisher konnten Hersteller bestehende Verbote durch chemische Abwandlungen der Substanzen oft umgehen. Nun sollen ganze Stoffgruppen verboten werden. Die Hintergründe zum Gesetz im Überblick:
Auf welche Drogen zielt der Gesetzentwurf?
Es handelt sich um neue psychoaktive Substanzen, auch als Legal Highs bekannt. Sie werden oft als Räuchermischungen oder Badesalze in bunten Tütchen im Internet vertrieben. Manche wirken wie Amphetamin stimulierend, manche wie Cannabis beruhigend.
Wie werden die Legal Highs beworben?
Mit klangvollen, teils schrillen Namen, angeblich gutem Geschmack – und mit dem Versprechen etwa von Wohlbefinden, Fröhlichkeit, Erregung oder Tiefenentspanntheit. Die Tütchen sind oft für nur rund 20 Euro zu haben.
Wie gefährlich sind Legal Highs?
Nach Ansicht der Behörden können sie sehr riskant sein. 2015 seien allein in Deutschland 39 Menschen nach ihrem Konsum gestorben, sagt Bundesdrogenbeauftragte Mortler. Die Symptome reichen von Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen und Orientierungsverlust bis zu Lähmung, Wahnvorstellungen und Versagen der Vitalfunktionen.
Warum tat sich der Staat bisher schwer mit der Verfolgung der Drogen?
Oft sind die Substanzen im Grundsatz seit langem bekannt und auch schon längst verboten. Doch durch molekulare Änderungen schaffen es die Drogenköche immer wieder, neue Stoffe herzustellen, die etwas anders wirken – und dann nicht mehr unter die bisherigen Verbote fallen.
Was soll nun geschehen?
Mit dem neuen Gesetz sollen nicht mehr nur einzelne Stoffe, sondern erstmals ganze Stoffgruppen verboten werden. Das sind zum einen von 2-Phenethylamin abgeleitete Verbindungen, also mit Amphetamin verwandte Stoffe. Außerdem fallen synthetische Cannabinoide darunter, also Stoffe, die die Wirkung von Cannabis imitieren.
Was erwartet Gesundheitsminister Gröhe von dem Gesetz?
Endlich werde der Wettlauf zwischen dem Angebot immer neuer chemischer Varianten bekannter Stoffe und daran angepasster Verbote durchbrochen, sagt Gröhe.
Was sagen Kritiker?
Der Grünen-Drogenpolitiker Harald Terpe meint, der Schutz von Konsumenten werde nicht gestärkt. „Angebot und Konsum neuer psychoaktiver Substanzen werden durch das Verbot nicht verhindert, ebenso wenig wie der grenzüberschreitende Onlineverkauf.“ Auf dem illegalen Drogenmarkt gehe es um wirtschaftliche Interessen, die mit allen Mitteln verfolgt würden. Die Bundesregierung würde durch das Gesetz der organisierten Kriminalität den Markt für Legal Highs auf dem Silbertablett servieren, kritisiert er.
Können sich Konsumenten über einzelne Substanzen informieren?
Ja. So betreibt etwa der Frankfurter Verein „BAS!S – Beratung, Arbeit, Jugend & Kultur“ eine Internetseite mit Testergebnissen einzelner Substanzen und eine Onlineberatung (www.legal-high-inhaltsstoffe.de). (dpa/rtr)