An Rhein und Ruhr.

Die Diskussion über das umstrittene „Turbo-Abitur“ in Nordrhein-Westfalen ist neu angefacht worden. Die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW präsentierte am Wochenende bei ihrer Mitgliederversammlung in Witten eine Umfrage unter fast 50 000 Eltern, Schülern und Lehrern, bei der sich rund 80 Prozent für eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren aussprachen.

Der Vorsitzende der Landeselternschaft, Ulrich Czygan, zeigte sich von der enormen Resonanz überrascht. Das Ergebnis mache deutlich, dass die Streitfrage G8/G9 noch immer viele Eltern umtreibe und die politische Debatte darüber nicht einfach beendet werden könne. Das Meinungsbild setzt sich aus Online-Umfragen unter aktiven Gymnasial-Eltern und -Schülern, unter Lehrern, ehemaligen Schülern und interessierten Bürgern sowie einer postalischen Zufallsabfrage bei jeweils fünf Eltern an 462 Gymnasien im Land zusammen.

Wissenschaftlich begleitet wurde die Aktion von dem renommierten Bielefelder Bildungsforscher Rainer Dollase. Sein Befund dürfte für die rot-grüne Landesregierung alarmierend sein: Nur Eltern guter Schüler befürworteten das „Turbo-Abitur“, die Bildungsungerechtigkeit in NRW werde durch die Schulzeitverkürzung eher zementiert. „Jetzt ist die Landesregierung am Zug. Sie muss den Elternwillen ernst nehmen“, forderte die Bildungsexpertin der Piratenpartei, Monika Pieper.

Eigentlich schien die Debatte ums „Turbo-Abitur“ für Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) ausgestanden. Nachdem Niedersachsen 2015 zum G9 zurückgekehrt war, Hessen den Gymnasien eine Wahlmöglichkeit eingeräumt hatte und sich in Bayern und Baden-Württemberg ebenfalls Reformen ankündigten, lud Löhrmann Eltern- und Lehrerverbände, Wissenschaftler und alle Landtagsfraktionen zu einem „Runden Tisch“ ein. Der Ruf nach Erleichterungen bei Nachmittagsunterricht, Hausaufgaben und Klassenarbeiten vieler genervter Eltern und stressgeplagter Schüler war nicht mehr zu überhören.

Löhrmann schwor den „Runden Tisch“ auf Verbesserungen ein und wendete damit eine Rolle rückwärts zum G9 ab. Daran konnte auch die Bürgerinitiative „G9 jetzt in NRW“ nichts ändern, die 100 000 Unterschriften für die Abschaffung des „Turbo-Abiturs“ gesammelt hat.