Ruhrgebiet.. NRW will mehr Video-Beobachtung als Konsequenz aus den Silvester-Übergriffen. Die Polizei im Ruhrgebiet hat schon Ideen, wo dies sinnvoll sein könnte.

Die Video-Überwachung von Kriminalitätsschwerpunkten in NRW wird deutlich ausgeweitet. In den letzten Wochen haben die Polizeipräsidenten dem Innenministerium Straßen und Plätze genannt, die dafür in Frage kämen. Darauf stehen dem Vernehmen nach unter anderem die Bahnhofsvorplätze von Duisburg, Essen und Oberhausen und die Kölner Ringe: die Amüsiermeile der Stadt. Auch aus Bochum, Dortmund, Gelsenkirchen und Hagen kamen Vorschläge.

Nach der Krawallnacht von Köln hatte die Landesregierung die Ausweitung angekündigt. Am Donnerstag wird der Landtag in einem Nachtragshaushalt 5,5 Millionen Euro dafür bewilligen. Wenig später soll die Entscheidung fallen, welche dunklen Ecken dann beobachtet werden. Die Rede ist von sieben bis neun.

Rechtlicher Rahmen ist eng

Bisher überwachen Polizeikameras nur zwei Stellen in NRW dauerhaft: eine in der Düsseldorfer Altstadt, eine in Mönchengladbachs Ausgehviertel. In Bielefeld und Coesfeld wurden Geräte wieder abgebaut, weil die Kriminalität vor den Augen der Kameras dauerhaft sank. Die Voraussetzung für die Kontrolle war mit sinkender Kriminalität nicht mehr gegeben.

Der rechtliche Rahmen ist eng. Kameras dürfen im öffentlichen Raum nur an nachweislichen Brennpunkten von Kriminalität zur Verhinderung von Straftaten installiert werden. Jedes Jahr muss überprüft werden, ob diese Voraussetzungen noch gelten. Und es muss eine Polizeiwache in unmittelbarer Nähe liegen, damit die Beamten dazwischengehen können, wenn sich eine Straftat erkennbar anbahnt.

Mönchengladbach signalisiert: weniger Straftaten dank der Kameras

Kritiker wenden ein, unter Videobeobachtung verlagere sich die Kriminalität nur. Die Polizei Mönchengladbach gibt indes an, sie habe mit ihren Kameras „eine Vielzahl von Straftaten nachweislich verhindert“.

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz, Helga Block, mahnte Politik und Sicherheitsbehörden, auf die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu achten. „Gerade in Zeiten der Verunsicherung und der Sorge um die innere Sicherheit sehe ich die Gefahr, dass die Freiheitsrechte der Bürger ins Hintertreffen geraten. Mit den Überwachungsins­trumenten muss aber zu allen Zeiten verantwortungsvoll umgegangen werden“, sagte Block der WAZ. Bei der Video-Kontrolle von Kriminalitätsschwerpunkten müssten Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit besonders beachtet werden.

Die Antänzer kommen! Ungefähr Ende 2014 muss das gewesen sein, dass die Trickdiebe im Kneipenviertel von Mönchengladbach auftauchten, um dort Körperkontakt und angetrunkene Opfer zu suchen. „Das haben wir mit der Video-Beobachtung gut in den Griff bekommen“, sagt Kriminalhauptkommissar Thomas Krüger.

Überhaupt schätzt die Polizei hier ihre sieben Kameras außerordentlich, die sie seit Jahren rund um den Alten Markt einsetzt. Denn dort stellen sich in Wochenend-Nächten mit den Promille auch die typischen Schlägereien ein, die Körperverletzungen und Raubüberfälle. „Wir können belegen, dass wir viele Taten verhindert haben“, sagt Krüger. Und das geht so: Die einen Kollegen sehen eine hitzige Zusammenrottung auf dem Bildschirm, die anderen gehen zwei Minuten später auf der Straße dazwischen. „Und wenn die Fäuste schon fliegen, kann man vielleicht noch verhindern, dass einer ein Messer zieht.“

Wunschlisten der Polizei liegen vor

Nach WAZ-Informationen plädiert die Polizei für Video-Beobachtung unter anderem an den folgenden Standorten im Revier:

Essen: Nordviertel, Rheinischer Platz, Bahnhofsvorplatz; Oberhausen: Bahnhofsvorplatz; Duisburg: Bahnhofsvorplatz, Marxloh; Köln: Kölner Ringe (Vergnügungsmeile). Herne wünscht Kameras auf dem Willi-Pohlmann-Platz. Der ist zwar kein krimineller Schwerpunkt, aber das Shoah-Mahnmal dort wurde 2014 viermal beschädigt oder beschmiert. In Recklinghausen wünscht sich die Stadt den Bahnhofsvorplatz, der ist aber in den Augen der Polizei kein Kriminalitätsschwerpunkt; und die Bochumer Straße im Stadtteil Süd. Die Polizei in Hagen nennt zwei Beobachtungs-Schwerpunkte: das Bahnhofsumfeld und eine Großraumdisco.

Nicht erst seit den Silvester-Übergriffen in Köln ist die Video-Beobachtung ein großes Thema. Polizeibehörden und Kommunen interessieren sich sehr für diese Art der Überwachung. Auch immer mehr Privatleute denken darüber nach, Kameras für den Selbstschutz einzusetzen. In Discountern werden Kameras mit Bewegungssensor verkauft, Manche Autofahrer hierzulande zeichnen ihre Fahrten mit so genannten Dashcams auf, um bei einem Unfall die Schuldfrage besser klären zu können. In Russland ist das schon längst üblich. In vielen Geschäften bleiben die Kunden nicht unbeobachtet.

Filmen ist nicht überall erlaubt

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz, Helga Block, erinnerte gestern daran, dass für den Einsatz von Video-Kameras zur Überwachung ein enger gesetzlicher Rahmen gilt. Die Polizei darf sie zum Beispiel nur an echten öffentlichen Kriminalitätsschwerpunkten einsetzen. Wenn die Zahl der Straftaten dort sinkt, müssen die Kameras wieder weg.

Kommunen und Unternehmen wie die Deutsche Bahn dürfen Kameras zur Wahrung des Hausrechtes nutzen. So sind in Bahnhöfen und Zügen Video-Aufzeichnungen erlaubt. Eine Stadt kann das eigene Rathaus mit Kameras überwachen oder einen umzäunten Stadtpark. Ein Bürger darf den Eingang seines Eigenheims auf diese Weise sichern, Aufnahmen von einem öffentlichen Parkstreifen oder einem Bürgersteig vor dem Haus sind indes verboten. Der Einsatz von Dashcams im Auto ist derzeit rechtlich äußerst fragwürdig.