Berlin. Die Polizei hat am Donnerstagmorgen mehrere mutmaßliche Islamisten festgenommen. Sie sollen einen Anschlag in Berlin geplant haben.
Bei Anti-Terror-Razzien in Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind am Donnerstag mehrere mutmaßliche Islamisten festgenommen worden. Wir erklären, worum es bei den Großeinsätzen ging.
Was war der Anlass für den Großeinsatz?
Sicherheitskreise gehen davon aus, dass es Pläne für einen Terror-Anschlag in Berlin gab. Auf Polizeideutsch: Es gab den Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Wie unter anderem „Bild.de“ berichtet, soll der Alexanderplatz im Zentrum der Anschlagspläne gestanden haben. Laut „Tagessspiegel“ hingegen sei das geplante Ziel der Checkpoint Charlie gewesen. In einem abgehörten Telefonat hätten sich die mutmaßlichen Terroristen darüber beraten, ob etwa der Checkpoint Charlie im Stadtzentrum ein lohnenswertes Angriffsziel sein könnte, teilte zudem die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Sicherheitskreise mit. Dass es Anschlagspläne in der Hauptstadt gegeben haben soll, hat die Berliner Staatsanwaltschaft bestätigt. Zum geplanten Anschlagsziel machte sie keine Angaben.
Die Polizei habe die Razzien gestartet, weil die mutmaßlichen Planer des Anschlags seit einigen Tagen nicht mehr über ihre Pläne geredet hätten und damit die Möglichkeit bestand, dass der Anschlag kurz bevorstehe. Die Kommunikation wurde vom Verfassungsschutz und von der Polizei überwacht.
Wo fanden die Razzien statt?
Die Polizisten durchsuchten Wohn- und Geschäftsräume in Berlin, Attendorn sowie in und rund um Hannover. Laut „faz.net“ handelte es sich um vier Wohnungen, einen Backshop und einen Imbiss in Berlin, je eine Flüchtlingsunterkunft in Attendorn und in Isernhagen und eine Wohnung in Hannover. Insgesamt waren rund 450 Beamte im Einsatz.
Wer sind die Verdächtigen?
Gesucht wurden vier Männer aus Algerien im Alter zwischen 26 und 49 Jahren. Der Hauptverdächtige, ein 35-jähriger Algerier, wurde in der Flüchtlingsunterkunft in Attendorn festgenommen. Er soll im Herbst 2015 als Flüchtling über die Balkanroute eingereist sein, in Bayern wurde er registriert.
Er wird wegen Zugehörigkeit zur Terrorgruppe IS auch von algerischen Behörden gesucht. Er soll in Syrien militärisch ausgebildet worden sein und in Deutschland das Ziel gehabt haben, eine Terrorzelle aufzubauen. Mit ihm wurde auch seine Frau festgenommen, die ebenfalls mit einem von den algerischen Behörden ausgestellten internationalen Haftbefehl gesucht worden war, aber keine Verbindungen zu den Anschlagsplänen haben soll. Die zwei Kinder des Paares (1 und 2 Jahre alt) wurden in eine Klinik gebracht.
Ebenfalls in Berlin festgenommen wurde ein 49 Jahre alter Mann, der als engster Helfer des Hauptverdächtigen gilt. Gegen ihn gab es einen Haftbefehl wegen Urkundenfälschung. Die weiteren Verdächtigen, ein 31-Jähriger aus Berlin und ein 26-Jähriger aus dem nördlich von Hannover gelegenen Isernhagen, wurden angetroffen, aber nicht festgenommen, da keine Haftbefehle gegen sie vorlagen.
Die in Berlin festgenommenen Männer sollen in den durchsuchten Geschäftsräumen gearbeitet haben, um das Umfeld auszukundschaften.
Was wurde sichergestellt?
Vor allem Computer, Handys und Unterlagen. Nun wird untersucht, ob sich Daten finden lassen, die nähere Informationen über Anschlagspläne und weitere Hintermänner preisgeben. Waffen oder Sprengstoff wurde nicht gefunden.
Welche Verbindung besteht zwischen den Verdächtigen und dem IS?
Der Hauptverdächtige wird wegen der Zugehörigkeit zum IS von algerischen Behörden per internationalem Haftbefehl gesucht. Er soll nach Informationen unserer Redaktion auf einem Foto mit einem ranghohen IS-Strategen zu sehen sein, der maßgeblich an den Anschlägen vom November in Paris mitwirkte. Auch der in Berlin festgenommene 49-jährige hatte wohl starken Bezug zur Terrormiliz.
Hatte die Terrorzelle etwas mit früheren Anschlagsplänen zu tun?
Der in Isernhagen gefundene IS-Terrorverdächtige hatte laut Sicherheitskreisen Verbindungen zur belgischen Islamistenszene. Der 26-Jährige sei vor wenigen Wochen mindestens einmal in die Brüsseler Gemeinde Molenbeek gereist, hieß es. Dort hatte auch der getötete mutmaßliche Drahtzieher der islamistischen Anschläge in Paris vom 13. November, Abdelhamid Abaaoud, gelebt. Molenbeek gilt als Islamistenhochburg. Verbindungen zu den Terrorwarnungen an Silvester in München oder zur Absage eines Fußball-Länderspiels in Hannover im November seien derzeit nicht zu erkennen, hieß es weiter.
Wie wurde die Polizei auf die Verdächtigen aufmerksam?
Laut „Tagesspiegel“ kam der erste Tipp von einem ausländischen Geheimdienst. Danach soll das Bundesamt für Verfassungsschutz den Ermittlern von Polizei und Kriminalämtern in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Niedersachsen die Hinweise weitergeleitet haben.
Wie geht es weiter?
Die Beweismittel werden ausgewertet, die beiden Festgenommenen einem Haftrichter vorgeführt. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärte, die Bedrohungslage durch militante Islamisten bleibe hoch. „Wir haben weiterhin allen Grund, wachsam und vorsichtig zu sein.“ Ein konsequentes Vorgehen gegen die Islamistenszene sei geboten - vor allem, wenn es um mögliche IS-Bezüge geht. (mit dpa)