Berlin. Verteilung in den EU-Ländern, Hotspots, Sicherung der Außengrenzen: Welche grundlegenden Maßnahmen bestimmen die Flüchtlingsdebatte?

Die Flüchtlingskrise bringt die deutsche und europäische Politik an ihre Belastungsgrenzen. Die Zeit drängt, doch eine Einigung zur Verteilung der Schutzsuchenden unter den 28 EU-Staaten ist weiterhin nicht in Sicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält an ihrem Mantra fest und verweist auf anstehende Beratungen auf internationaler und europäischer Ebene. „Danach können wir eine Zwischenbilanz ziehen, eine weitere Zwischenbilanz ziehen, und dann sehen, wo wir stehen“, sagt die Kanzlerin. Welche Maßnahmen bestimmen die Debatte?

1. Verteilung innerhalb der EU

In Gesprächen mit den europäischen Nachbarn will Merkel eine solidarische Verteilung der Schutzsuchenden unter den EU-Mitgliedstaaten erreichen. Hauptzielländer der Flüchtlinge waren im vergangenen Jahr Deutschland, Ungarn, Österreich und Schweden. Laut der EU-Statistikbehörde Eurostat (Erstanträge für das zweite Quartal 2015) entfielen auf die Bundesrepublik 38 Prozent aller Asylanträge in den 28 EU-Ländern.

Zwar hat die EU einen Beschluss für die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen gefasst. Doch sind davon lediglich 272 Menschen auf die Mitgliedsländer verteilt.

2. Zusammenarbeit mit der Türkei

Brüssel ist auf das EU-Kandidatenland Türkei angewiesen. Die mit Abstand meisten Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr illegal in die EU einreisten, kamen über die Türkei – nach Schätzungen sind es 1,5 Millionen Menschen. Deshalb hat sich Merkel im vergangenen November für eine engere Kooperation stark gemacht. Der Deal: Die Türkei sichert ihre Grenzen und bekommt im Gegenzug rund drei Milliarden Euro für Flüchtlingslager. Außerdem stellt die EU dem Land Visa-Erleichterungen in Aussicht und eine bessere Perspektive bei den Beitrittsverhandlungen zur EU. Doch auch hier gerät der Plan ins Stocken, weil sich viele EU-Länder nicht an der Finanzierung beteiligen wollen.

3. Hotspots in Griechenland und Italien

In den beiden sogenannten Transitländern sollen Aufnahme-Einrichtungen eine geordnete Verteilung der Flüchtlinge ermöglichen. Die Idee: Wer über das Mittelmeer nach Europa übersetzt, wird in Aufnahme-Einrichtungen (Hotspots) in Griechenland oder Italien registriert und dann in andere EU-Länder verteilt. In den Hotspots nehmen Mitarbeiter unter anderem Fingerabdrücke ab, um sie in einer EU-Sicherheitsdatei zu überprüfen.

Allerdings: Von elf geplanten Hotspots sind erst drei in Betrieb. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos sagte nun zwar zu, dass alle Hotspots in spätestens vier Wochen voll einsatzbereit sein sollen. Allerdings zerstreut er auch Hoffnungen auf eine schnelle Senkung der Flüchtlingszahlen. Im Gegenteil: Er sei in Sorge, dass „in den nächsten Monaten die Zahlen noch höher sein werden“, sagte er.

4. Sicherung der Außengrenzen

Deutschland gehört zu den Ländern, die dafür eintreten, dass die Grenzschutzagentur Frontex zu einer europäischen Küsten- und Grenzschutzbehörde ausgebaut wird, die diesen Namen tatsächlich verdient. Dazu soll das Personal von zuletzt 400 auf 1000 aufgestockt werden. Zusätzlich sollen bei Bedarf mindestens 1500 Grenzbeamte aus den Mitgliedstaaten schnell zur Verfügung stehen. Da es bei der Sicherung der Außengrenzen hakt, setzen derzeit immer mehr EU-Staaten darauf, die Probleme mit Kontrollen an der eigenen Grenze auf eigene Faust anzugehen. Führende Politiker in Europa sehen daher das gesamte Schengen-System – also das freie Reisen in der EU – in Gefahr.

5. Sichere Herkunftsländer

CDU und CSU haben ins Spiel gebracht weitere Länder zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Sie wollen zur Eindämmung der Flüchtlingszahlen auch Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern nach dem deutschen Asylrecht erklären, um von dort kommende abgelehnte Asylbewerber leichter zurückschicken zu können.

Die CSU ging noch einen Schritt weiter: Die bayerische Staatsregierung hat die Einstufung von zwölf weiteren Ländern als sichere Herkunftsstaaten gefordert: Armenien, Georgien, Moldau und die Ukraine, Bangladesch, Indien und die Mongolei sowie Algerien, Benin, Gambia, Mali und Nigeria.

6. Mehr Personal in den Behörden

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das alle Asylanträge bearbeitet, bekommt deutlich mehr Personal, um die Asylverfahren zu beschleunigen und den Berg von unerledigten Anträgen abzutragen. Ende 2016 soll das BAMF 7300 Mitarbeiter haben – doppelt so viele wie derzeit. Die etwa 365.000 unerledigten Anträge sollen spätestens im dritten Quartal abgearbeitet sein. So lautet zumindest der Plan. Denn neue Mitarbeiter, insbesondere die wichtigen „Entscheider“ für Asylverfahren, müssen erst geschult werden. Und das braucht Zeit.

Was passiert bei einer Grenzschließung?

Viele Experten warnen vor dem Szenario. Zunächst einmal wäre eine Grenzschließung physisch schwer umsetzbar: Ein Zaun, wie er etwa in Ungarn steht, ist aufgrund der Länge unrealistisch. Zudem hätte eine Schließung der Grenzen eine Reihe von wirtschaftlichen Nachteilen. Lkw würden an den Übergängen im Stau stehen, auch Pendler würden Schwierigkeiten bekommen. Zudem befürchten Kritiker, dass allein die Ankündigung der Grenzschließung den Zuzug von Flüchtlingen kurzfristig beschleunigen könnte. (mit dpa)