Mülheim/Essen. Die ohnehin schon starke soziale Spaltung der Stadtgebiete im Ruhrgebiet wird durch die freie Grundschulwahl der Eltern weiter verschärft.
Vor Jahren führte Nordrhein-Westfalen die freie Schulwahl ein. Eine der Folgen: Die Kinder der einzelnen sozialen Schichten bleiben bereits während der Grundschulzeit weitgehend unter sich. Zudem kämpfen Schulen in sozialen Brennpunkten mit einer starken Schülerabwanderung. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie, die das Zentrum für Interdisziplinäre Regionalforschung (Zefir) der Ruhr-Universität-Bochum mit der Stadt Mülheim im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellte. Dafür wurden die Daten von rund 4000 Schülern ausgewertet.
Seit der Aufhebung der Grundschulbezirke durch die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung zum Schuljahr 2008/09 ist laut der Studie der Anteil der Eltern, die für ihre Kinder eine andere als die zuvor zuständige Grundschule wählen, von zehn Prozent auf gut ein Viertel gestiegen. „So kommt es zu Wanderungen quer durch die ganze Stadt“, sagt Studienautor Thomas Groos dieser Zeitung. Das stelle die Kommunen bei der Schulentwicklungsplanung vor große Schwierigkeiten.
Vor allem Familien der Mittelschicht nehmen die freie Schulwahl in Anspruch
Die Eltern wählten für ihre Kinder diejenige Schule aus, die ihrem sozialen und ethnischen Hintergrund entspreche, so Groos. Sei die zuständige Grundschule sozial benachteiligt, suchten sich die Eltern häufig eine andere Schule. Dagegen seien Eltern mit niedrigem Bildungsstatus oder mit Migrationshintergrund weniger mobil und blieben in ihrem Wohnbezirk. Ihre Kinder besuchten daher meist die nächstgelegene Grundschule. Vor allem Familien der Mittelschicht nehmen die freie Schulwahl in Anspruch, ergab die Studie. Für Eltern der Oberschicht, die in besseren Stadtvierteln leben, stelle sich das Problem der Schulwahl häufig nicht, da das Einzugsgebiet ihrem Status in etwa entspreche.
„Je privilegierter eine Schule ist, desto eher wird sie von den Eltern ausgesucht. Je benachteiligter sie ist, desto mehr Schüler verliert sie“, bringt Groos das Problem auf den Punkt. So ballten sich an manchen Schulen die Probleme, was die Schüler zusätzlich benachteilige.
Die Studie schlägt vor, die soziale Struktur der Schulen landesweit offenzulegen, um so eine Förderung einzelner Grundschulen zu begründen. „Schulen in Problemvierteln brauchen mehr Lehrer, Sozialarbeiter, vielleicht auch spezielle Sport- und Ernährungsangebote“, meint Groos.