Berlin. Die tödliche Attacke auf einen Polizisten im Herborn wirft Fragen auf. Zum Beispiel: Kann eine bessere Ausrüstung solche Taten künftig verhindern?

Als die Polizei angefordert wird, klingt es nach Routine und nicht nach einem Drama mit tödlichem Ausgang. Die zwei Beamten sollen im Bahnhof die Personalien eines Passagiers feststellen, mutmaßlich ein „Schwarzfahrer“. Herborn, Heiligabend, sieben Uhr früh, ein Zugbegleiter bittet um Hilfe: Im Regionalexpress widersetzt sich ein Fahrgast der Kon­trolle, ein Mann, 27 Jahre alt, angetrunken, später wird man bei ihm 1,5 Promille im Blut messen. Als die Polizisten eintreffen, geht er mit einem „Einhandmesser“ sofort auf sie los. Ein Beamter stirbt, sein Kollege überlebt schwer verletzt.

„Wir müssen überprüfen, ob wir auf dem neuesten Stand sind, ob unsere Schutzwesten eine Sicherheit gegen Stichwaffen bieten“, fordert Jörg Radek im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist erschüttert und erzählt, „es sind gerade die Messerattacken, die uns auch im allgemeinen Alltag zu schaffen machen.“

Mann hinterlässt Frau und Kinder

Der Vorfall provoziert viele Fragen: Nach der Hemmschwelle vor Gewalt, nach dem Autoritätsverlust von Uniformträgern – Rettungskräfte werden genauso angegriffen –, nach der Bürgernähe der Polizei, nicht zuletzt nach ihrer Eigensicherung. Diskutiert wird über den Einsatz von Elektroimpulswaffen, sogenannte Taser, benannt nach einem US-Hersteller. Mit ihnen kann man Angreifer sekundenlang lähmen und kampfunfähig machen. Das setzt voraus, dass die Polizisten – Alltag in den USA – schon mit gezückter Waffe anrücken. Wenn es wie in Herborn zum Gerangel kommt, ist es meist zu spät.

Sieben Mal stach der Mann zu, eine der Verletzungen im Hals-Schulter-Bereich war für den 46-Jährigen Polizisten tödlich. Er hinterlässt laut „Bild“ eine Frau und vier Kinder. Bevor er aus dem Zug auf den Bahnsteig fiel und starb, schoss der Beamte zwei Mal auf den Täter. Gegen ihn hat das Amtsgericht Limburg Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Er war offenbar der Polizei wegen Drogenmissbrauchs und Körperverletzungen bekannt und stand unter Bewährung. Hätten die Beamten das gewusst, dann hätten sie sich ihm misstrauischer genährt. Aber dazu mussten sie überhaupt erst die Identität feststellen. Die zweite tragische Note ist, dass sie nicht einmal zuständig waren. Eigentlich ist die Sicherheit in Zügen und Bahnhöfen Aufgabe der Bundespolizei. Allein im Jahr 2014 zählte sie 442 verletzte Beamte bei Einsätzen in Zügen und Bahnhöfen.

Forderung nach Extra-Paragraf für Angriffe gegen Beamte

Zwar erklärte der zuständige Staatsanwalt, dass in Herborn eine Aggressivität an den Tag gelegt worden sei, „die man selten antrifft“. Aber dass Übergriffe an der Tagesordnung sind, zeigt der aktuelle Lagebericht des Bundeskriminalamts. Für 2014 weist er 62.770 Opfer unter den Beamten aus. Das sind im Vergleich zum Vorjahr 6,2 Prozent mehr Fälle. Die Statistik listet viele Delikte auf: Bedrohung, Nötigung, einfache, aber auch gefährliche bis schwere Körperverletzungen, Raub sowie 123 Tötungsdelikte, das heißt: versuchter Mord (60) oder Totschlag (63).

Die GdP erneuerte ihre Forderung nach einem eigenen Strafrechtsparagrafen, um Angriffe gegen Polizisten, aber auch gegen Rettungskräfte unter Strafe zu stellen. Das soll zu mehr Respekt führen, hätte aber in Herborn nicht geholfen. Zur Abschreckung tragen Polizisten in Frankfurt und in einigen anderen Pilotprojekten Body-Cams. Die Kameras sollen abschrecken, vor allem helfen sie, eine Tat zu rekonstruieren. Bleibt die Frage nach besseren Schutzwesten und der Ausrüstung mit einem Taser. Viele Polizisten haben praktische Einwände dagegen. Sie verweisen darauf, was sie sonst schon mit sich herumtragen: eine Waffe, Reizgas, Plastikhandfesseln, Funkgerät, Body-Cam, Taschenlampe.