Heidelberg. In Heidelberg werden erstmals die Flüchtlingsausweise ausprobiert. Nächstes Jahr soll dann jeder Flüchtling so ein Dokument erhalten.
Er sieht fast aus wie ein alter Autoführerschein, nur die Farbe passt nicht ganz. Grün-lila ist der neue Flüchtlingsausweis – ein offiziell anmutendes Papier mit einem Foto in der Mitte. So unspektakulär das Dokument aussieht, so groß sind die damit verbundenen Hoffnungen von Bund und Ländern. Der sogenannte Ankunftsnachweis soll helfen, die derzeit ziemlich unkontrollierten Flüchtlingsströme in Deutschland zu lenken, und die Registrierung vereinfachen und beschleunigen.
Bislang gibt es erst ein Muster dieses Ausweises zu sehen. Die Ausstellung des Dokumentes soll zunächst im Zentralen Registrierungszentrum in Heidelberg – auf der ehemaligen US-Militäranlage Patrick-Henry-Village – getestet werden. Nächste Woche soll es losgehen mit der Probephase, wie die baden-württembergische Landesregierung ankündigte.
System wird derzeit aufgebaut
Mitte Januar sollten dann die ersten Flüchtlinge das Dokument erhalten, kündigte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Klaus Vitt, am Freitag an. Von Februar an werde der Ausweis schrittweise bundesweit eingeführt.
Hinter dem Ankunftsnachweis steckt ein komplexes Datenerfassungssystem, das momentan aufgebaut wird. Es soll die Daten von Bund, Ländern und Kommunen zusammenführen und Doppelarbeit verhindern. Wer einmal mit seinem Fingerabdruck in dieses System aufgenommen wurde, dessen Daten können von allen möglichen offiziellen Stellen aufgerufen und ergänzt werden, beispielsweise vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und von Jobcentern. Flüchtlinge müssten sich also nicht mehr mehrfach registrieren lassen, berichtete Vitt.
Ziel des Systems ist seinen Angaben zufolge, alle Flüchtlinge im Land zu registrieren. Davon ist Deutschland derzeit noch weit entfernt. Rund eine Million Flüchtlinge sind dieses Jahr nach Deutschland gekommen, viele von ihnen warten teils seit Wochen und Monaten auf die Registrierung.
Heidelberger Registrierungsstelle als Modellprojekt
Das Zentrum für Flüchtlinge in Heidelberg zeigt in einem Modellprojekt, wie es besser und schneller gehen könnte. Dort werden die Schutzsuchenden möglichst direkt nach ihrer Ankunft registriert, gesundheitlich untersucht, geröntgt und erkennungsdienstlich behandelt. Danach können sie ihre Asylanträge stellen und sollen bald auch ihre Ausweise erhalten.
Über ihre Asylanträge solle künftig in 24 bis 48 Stunden entschieden werden – zumindest bei den einfachen Fällen mit klarer Ausgangslage, kündigte BAMF-Leiter Frank-Jürgen Weise in Heidelberg an. Bislang dauert es im Durchschnitt fünf Monate, bis die Menschen ihren Bescheid erhalten.
Über knapp 356.000 Anträge hat das BAMF noch nicht entschieden, ein riesiger Berg, der laut Weise im kommenden Jahr langsam abgebaut werden soll. Der politische Druck auf das BAMF ist groß, vor kurzem erst haben mehrere Innenminister der Länder gefordert, die Mitarbeiter müssten mehr Überstunden machen und auch am Wochenende Dienst tun, um der Lage Herr zu werden.
Asylbescheid binnen eines Tages
Um die Bearbeitung zu beschleunigen, wird Heidelberg ein weiteres Pilotprojekt starten. Dabei werden die Anträge nach Erfolgsaussicht in Gruppen eingeteilt. Sei die Ausgangslage klar und die Entscheidung einfach, werde direkt nach der Antragstellung entschieden – im Idealfall sogar noch am gleichen Tag, kündigte Weise an. Das ist vor allem bei Schutzsuchenden aus Bürgerkriegsländern wie Syrien der Fall, aber auch bei Flüchtlingen aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern, die meist in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Komplexere Fälle werden von langjährigen BAMF-Mitarbeitern gesondert geprüft, dann kann es länger dauern.
Derzeit sitzen 50 Mitarbeiter des Bundesamtes in Heidelberg, die pro Tag über bis zu 200 Asylanträge entscheiden. Ab Anfang Januar sollen es 100 Mitarbeiter und 400 Anträge sein – und in der Endphase sogar 250 Mitarbeiter und 10.000 Asylbescheide täglich, wie der Leiter der operativen Stabsstelle beim Land für Flüchtlingsangelegenheiten, Hermann Schröder, sagte.
Trotz aller Bemühungen werde es noch weit bis ins nächste Jahr dauern, bis der Berg an unbearbeiteten Asylanträgen abgebaut sei, betonte Weise. Viele Fälle seien kompliziert oder müssten vor Gericht entschieden werden. Es gebe aber auch einen Engpass beim Aufbau qualifizierten Personals beim BAMF. Die Behörde ist an diesem Thema aber dran: Sie will die Zahl der Mitarbeiter bis 2016 auf 7.300 verdoppeln. (dpa)