Karlsruhe. Auf dem Parteitag in Karlsruhe verteidigt Merkel ihre Haltung in der Flüchtlingspolitik – und löst an der Basis beinahe Euphorie aus.
Schon bei der Eröffnung des Parteitags bekam die Kanzlerin von den Delegierten stehenden Applaus. Merkel, die eine Obergrenze für die Zahl der in Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge weiterhin strikt ablehnt, begründete am Rednerpult gegenüber der Basis ihre Haltung in der Flüchtlingsfrage.
Zunächst holte sie zum großen Rundumschlag aus. „2015 ist ein unglaubliches Jahr, letztlich schwer zu fassen“, sagte die Kanzlerin. „Auch in den vergangenen Jahren war viel los, aber eine solche Dichte, eine solche Abfolge von Ereignissen, habe ich zumindest noch nicht erlebt“, so Merkel: die Terror-Anschläge in Paris, der Ukraine-Konflikt, der German-Wings-Absturz, die Griechenland-Krise.
Auch Merkel will Flüchtlings-Zuzug reduzieren
Vor allem ging es aber um die Flüchtlingspolitik. Eine spürbare Reduzierung des Zuzugs sei „im Interesse aller“, sagte die Kanzlerin. Das gelte für Versorgung und Integration in Deutschland, die Lage Europas und auch für die Flüchtlinge selbst. „Denn niemand, egal warum er sich auf den Weg macht, verlässt leichtfertig seine Heimat.“ Merkel hob den Leitantrag für den Parteitag hervor, in dem nun auch auf eine mögliche Überforderung Deutschlands hingewiesen wird. Die CDU nehme die Sorgen der Menschen auf. „Aber wir sind auch die Volkspartei, die die Sorgen nicht nur aufnimmt, sondern gestaltet und Lösungen findet. Das muss unser Anspruch sein“, so Merkel.
Die Kanzlerin verteidigte ihre in der Partei umstrittene Willkommenskultur. Mit Blick auf die Entscheidung, Flüchtlinge Anfang September aus Ungarn nach Deutschland einreisen zu lassen, sagte sie: „Das war nicht mehr und nicht weniger als ein humanitärer Imperativ.“ In dieser Nacht sei wie durch ein Brennglas deutlich geworden, dass Europa es mit der größten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun habe.
Kanzlerin verteidigt Einschränkung beim Familiennachzug
„Wir schaffen das“: Auch zu ihrem viel kritisierten Satz äußerte sich die Kanzlerin: „Wir schaffen das, das kann ich sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört, Größtes zu leisten, aus Trümmern ein Land des Wirtschaftswunders zu schaffen.“ Zudem sei es gelungen, nach der deutschen Teilung „ein in der Welt hochgeachtetes Land in Einigkeit und Freiheit zu vereinen“.
Bei ihrer rund einstündigen Rede nannte Merkel einiger ihrer Amtsvorgänger, die ebenfalls mit markanten Sätzen Politik machten. So habe Konrad Adenauer nicht gesagt: „Wir wählen etwas Freiheit“, sondern „Wir wählen Freiheit“. Ludwig Erhard haben nicht vom „Wohlstand für fast alle“ gesprochen, sondern vom „Wohlstand für alle“. Und Altkanzler Helmut Kohl habe den Ostdeutschen einst „blühende Landschaften“ versprochen. Kohl habe Recht behalten. „Im 25. Jahr der Deutschen Einheit können wir sagen, wir haben blühende Landschaften“, sagte die CDU-Vorsitzende.
Merkel verteidigte zudem Pläne, den Familiennachzug einzuschränken. Zwar sei die CDU die „Partei der Familie“, doch schon aus „rein praktischen Gründen“ sei es derzeit nicht möglich, zeitnah über den Nachzug Angehöriger zu entscheiden. Union und SPD haben vereinbart, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit dem untergeordneten, sogenannten subsidiären Schutz für zwei Jahre auszusetzen.
Merkel: Abschottung ist keine Option
Die CDU-Vorsitzende sieht trotz der Flüchtlingsströme in der Globalisierung mehr Chancen als Risiken. „Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine vernünftige Option“, sagte sie. Hinter der Skepsis vieler Menschen stehe derzeit auch Ungewissheit, was die große Zahl an Flüchtlingen an Veränderungen für das Leben in Deutschland bringe. Hier lägen aber auch Chancen. Um das zu erkennen, gelte es, sich auf die Gründungsimpulse der CDU wie das christliche Menschenbild zu besinnen: „Es kommen keine Menschenmassen, sondern es kommen einzelne Menschen zu uns.“
Die Basis feierte die CDU-Vorsitzende nach der Rede nahezu frenetisch. Nach beinahe neunminütigem Applaus trat Merkel noch einmal ans Rednerpult und hielt sich kürzer: „Jetzt geht es wieder an die Arbeit.“ (mit dpa/epd)