Berlin. Bürgermeister und Landräte der SPD schlagen Alarm. Der Flüchtlingsstrom müsse bald gebremst werden. Und die Wut auf Berlin wächst.
- Laut Frank Baranowski sei ein "deutliches Abflachen der Zuwanderungsgeschwindigkeit" nötig
- Die Städte und Gemeinden hielten die Herausforderung durch den Flüchtlingsstrom nicht mehr lange durch
- "Große Ratlosigkeit" bei einem Treffen von rund hundert sozialdemokratischen Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten aus ganz Deutschland
Die SPD-Kommunalpolitiker dringen darauf, das Tempo der Zuwanderung nach Deutschland zu drosseln. Die Städte und Gemeinden im Land leisteten „eine große Kraftanstrengung“, betonte der Gelsenkirchener Oberbürgermeister und Ruhr-SPD-Chef Frank Baranowski in Berlin, „aber das halten wir nicht mehr lange durch“. Man könne „nicht jede Turnhalle vollmachen“.
Nötig sei „ein deutliches Abflachen der Zuwanderungsgeschwindigkeit.“ Gelsenkirchen etwa werde bis Jahresende rund 2700 Flüchtlinge aufnehmen – vorausgesetzt es bleibe bei der Gesamtzahl von einer Million Flüchtlingen in Deutschland. Sonst müsse man „neu planen“.
„Was passiert, wenn das so weitergeht?“
Baranowski äußerte sich nach einer Konferenz von rund hundert sozialdemokratischen Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten aus ganz Deutschland mit SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Berliner Parteizentrale.
„Dass wir eine Reduzierung der Zuwanderung brauchen, steht außer Frage“, erklärte auch der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly. Die Stimmung bei dem Treffen sei „ernst, aber nicht panisch“ gewesen, so Maly: „Aber was passiert, wenn das Jahr für Jahr so weitergeht?“ Wie Teilnehmer der Runde im Willy-Brandt-Haus gegenüber dieser Redaktion berichteten, habe dort eine „große Ratlosigkeit“ geherrscht. Man gerate bei der Unterbringung „inzwischen an Grenzen“; gleichzeitig wisse man nicht, wie der Zustrom zu bremsen sei.
„Täglich wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben“
Zudem hieß es aus Teilnehmerkreisen, die „Wut auf Berlin“ nehme zu: Fast täglich werde „eine andere Sau durchs Dorf getrieben“. Aber „Scheindebatten“ über Transitzonen oder Familiennachzug brächten niemanden weiter.
Baranowski und Maly räumten ein, dass an der SPD-Basis die Stimmung angesichts des anhaltenden Zustroms geteilt sei. „Ein Teil ist sehr skeptisch“, so Baranowski. Man müsse immer wieder „die Dinge erklären“. Maly sagte, es gebe in der Partei „Besorgnis und Angst“, etwa vor „sozialen Konkurrenzen“. Er frage sich insgesamt, ob die positive Stimmung in der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen im vergangenen Sommer „vielleicht eben nur eine Stimmung war, und keine Haltung“.
Gabriel: Berlin soll Hilfsgelder für die Türkei vorschießen
Parteichef Gabriel stellte sich hinter die Kommunalpolitiker. „Bei der Zuwanderung hilft uns nur eine Reduktion der Geschwindigkeit“, sagte er. Dies gehe allein über eine effektive Sicherung der EU-Außengrenzen. Die Gespräche mit der Türkei über bessere Unterbringungsmöglichkeiten für die dort gestrandeten rund zwei Millionen Flüchtlinge machten „große Fortschritte“. Dazu sei schnelle finanzielle Hilfe aus Europa für Ankara notwendig; wenn nötig, müsse Deutschland allein das Geld „vorschießen“. Berlin könne „in Vorleistung treten“, so Gabriel.
Auch Griechenland brauche zur Sicherung seiner Außengrenzen Unterstützung. „Die Griechen können die Grenzen nicht allein sichern“, betonte Gabriel. Für die Registrierung der Flüchtlinge und für die Bearbeitung der Anträge müssten die EU-Staaten Athen „ein paar tausend Beamte zur Verfügung stellen“, sagte er.
Wenn die Außengrenzen der EU besser geschützt seien, so der SPD-Chef, könnten „große Kontingente“ von Flüchtlingen in einem geregelten Verfahren nach Europa gebracht werden – „ohne Schlepper, ohne Gefahr für Leib und Leben“. Dabei gelte dann die Regel „Frauen und Kinder zuerst“.