Düsseldorf. . Eilanträge abgelehnter Flüchtlinge werden vom Bund auf einem dreiwöchigen Postweg zugestellt. Der NRW-Justizminister fordert jetzt mehr Tempo.

Die Flüchtlingskrise ist auch eine juristische Herausforderung. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) ärgert sich darüber, dass Akten wochenlang den Dienstweg nehmen und kommunale Ausländerbehörden nicht schnell genug abschieben.

Herr Minister, warum dauert es so lange, bis die Abschiebung von Asylbewerbern ohne Bleiberecht juristisch durchgefochten ist?

Thomas Kutschaty: Jeder Asylbewerber hat Anspruch auf ein ordnungsgemäßes rechtsstaatliches Verfahren, das ist auch gut so. Wenn ein Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt wird, können die Betroffenen bei den Verwaltungsgerichten gegen die Entscheidung klagen. Allerdings dauert es mir viel zu lange, bis unsere Richter einen Eilantrag, der allein eine Abschiebung verzögern könnte, auf dem Tisch haben.

Woran hakt es?

Kutschaty: Es ist ärgerlich genug, dass der Bund zwischen der Einreise eines Flüchtlings und der Entscheidung über seinen Asylantrag zum Teil mehr als ein Jahr verstreichen lässt. Geradezu lächerlich wird es, wenn das zuständige Bundesamt in Eilverfahren drei Wochen benötigt, um eine Akte dem Verwaltungsgericht zu übermitteln. Obwohl alle Dokumente elektronisch verfügbar sind und per Knopfdruck zu versenden wären, wird ausgedruckt und eingetütet. Bei fast 7300 Eilverfahren allein in NRW im ersten Dreivierteljahr 2015 verlieren wir so unnötig Zeit, die uns die Flüchtlingskrise nicht lässt.

Was wollen Sie tun?

Kutschaty: Ich werde in der kommenden Woche bei der Justizministerkonferenz deutlich machen, dass wir vom Bund umgehend eine elektronische Übermittlung der Akten erwarten. Zugleich appelliere ich an die Ausländerbehörden der Kommunen, gerichtliche Entscheidungen in Eilverfahren auch für die Rückführung von Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive zu nutzen.

Sind die Kommunen bei Abschiebungen zu zögerlich?

Kutschaty: Ich wundere mich, dass einige Kommunen bei abgelehnten Eilanträgen von Asylbewerbern trotzdem noch mit der Rückführung bis zu einer Gerichtsentscheidung in der Hauptsache warten. Das müssten sie nicht. So ziehen weitere Monate ins Land, die an der Ablehnung des Asylantrags in den allermeisten Fällen nichts ändern.

Sie leiten eine Länder-Kommission zur Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches. Warum müssen Veränderungen her?

Kutschaty: Ich will keinen politischen Schnellschuss. Doch das Bürgerliche Gesetzbuch, 1896 verfasst und am 1.1.1900 in Kraft getreten, kann bestimmte Vertragstypen, mit denen wir es heute im Internet-Zeitalter zu tun haben, gar nicht kennen. Deswegen wollen die Bundesländer bis zum Deutschen Juristentag im September in Essen erste Vorschläge erarbeiten.

Wo sehen Sie Regelungsbedarf?

Kutschaty: Mich treiben zum Beispiel Fragen des digitalen Eigentums um. Was passiert, wenn der Betreiber einer Daten-Cloud, in der ich wichtige Dokumente gespeichert habe, Pleite geht? Oder nehmen wir den Bereich der Persönlichkeitsrechte: Muss mich ein peinliches Foto, das in Jugendtagen ins Netz gestellt wurde, wirklich ein Leben lang verfolgen? Bislang basteln sich Unternehmen allgemeine Geschäftsbedingungen, um mit den Regelungslücken klar zu kommen. Das ist aber weder verbraucherfreundlich, noch ein klarer Rechtsrahmen.

Erkennen Sie ein Problembewusstsein der Verbraucher?

Kutschaty: Ich bin sicher, dass es im digitalen Zeitalter viele Rechtsprobleme gibt, die wir in bislang noch gar nicht gesehen haben. NRW wird deshalb ab 11. November unter www.digitaler-neustart.de bei den Bürgern Anregungen für Gesetzesänderungen einholen. Ich will auch von Nicht-Juristen erfahren, ob unser Recht ein Update braucht.