Berlin. Die Zahl der Straftaten gegen Asylbewerberheime hat sich verdreifacht. Ein System hinter der Gewalt wird nicht ausgeschlossen.

637 Mal haben Ausländerfeinde im Laufe dieses Jahres bereits Brandsätze auf Asylbewerberheime geworfen, Wände besprüht oder sogar die Bewohner angegriffen. Bis zum 2. November hat es damit nach Angaben der „Welt“ bereits jetzt dreimal so viele Straftaten gegen Flüchtlingsheime gegeben wie im gesamten Jahr 2014. Vor einem Jahr gab es noch 199 Straftaten.

Die Hälfte der Gewaltdelikte sind Brandanschläge

Die Zeitung beruft sich auf Daten des Bundeskriminalamtes (BKA), die auch die einzelnen Delikte aufschlüsseln. 216 Mal gab es demnach Sachbeschädigungen an Asylbewerberheimen, zudem kam es zu 123 Propagandadelikten. 74 Mal lautete der Straftatbestand: Volksverhetzung.

Doch nicht nur die Gebäude sind das Ziel von Rechtsradikalen, denn in 104 Fällen wurden die Bewohner direkt angegriffen. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Gewaltdelikte bei 28 Fällen. Mehr als die Hälfte der Gewaltdelikte in diesem Jahr waren Brandanschläge (53).

Aufgrund des dramatischen Anstiegs der Gewalttaten stellt sich die Frage, ob hinter den Angriffen nicht ein rechtsextremes Netzwerk oder eine andere Art von System stecken. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte laut „Welt“: „Diese Entwicklung ist besorgniserregend und sollte uns wachsam werden lassen“. Die Sicherheitsbehörden müssten klären, ob es sich bei den Gewalttaten gegen Flüchtlingsheime um Einzeltaten oder systematische Angriffe handele.

Sicherheitsbehörden: Zusammenhang zwischen Demonstrationen und Straftaten

Aus Sicherheitskreisen heißt es, dass die Straftaten vor allem dort begangen würden, wo rechte Parteien in der Vergangenheit Wahlerfolge feiern konnten oder es zu Demonstrationen und Protesten komme. Diese Aktionen seien lokal begrenzte Phänomene, sagte Oliver Platzer vom Landeskriminalamt in Bayern unserer Redaktion Ende August. Eine bundesweite Organisation war zu diesem Zeitpunkt laut Sicherheitskreisen nicht zu erkennen. Die rechte Partei „Der dritte Weg“ habe im Internet jedoch eine Anleitung zur Verhinderung von Flüchtlingsheimen veröffentlicht. Der Leitfaden „gibt detaillierte Hinweise zur Organisation des Protests sowie zu juristischen Fragestellungen“, sagte Oliver Platzer. Dabei gehen Beobachter davon aus, dass eine Verschärfung der Rhetorik in Internetbeiträgen auch zu einer steigenden Gewaltbereitschaft führt.

Im Spätsommer erklärte die Amadeu-Antonio-Stiftung, dass ein Zusammenhang zwischen zunehmender Hetze im Internet und Straftaten gegen Flüchtlinge und Asylbewerberheime wahrscheinlich ist. „Es ist auffällig, dass die Straftaten zu einer Zeit stattfinden, in der rechte Kameradschaften und Mitglieder der „Jungen Nationaldemokraten“ besonders stark versuchen, zu mobilisieren“, sagte damals Robert Lüdecke, Sprecher der Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Stiftung dokumentiert und analysiert systematisch rechte Gewalttaten und volksverhetzende Inhalte im Internet.

Den jüngsten Fall dokumentierte die Stiftung am 1. November: etwa 30 Rechtsradikale griffen drei Asylbewerber in Magdeburg an. Mit Schlagstöcken und Baseballschlägern wurden die Männer verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden.