Berlin. Angela Merkel und Horst Seehofer treten gemeinsam vor die Unionsfraktion. CDU-Chefin und CSU-Chef demonstrieren ein neues Wir-Gefühl.
Wenn sogar die Nachtstunden erforderlich sein sollten, seien er und Angela Merkel auch dazu bereit, erzählt Horst Seehofer. Die Kanzlerin steht daneben und lächelt. Gleich werden beide vor die Unionsfraktion treten und – nach den Journalisten – die Abgeordneten auf diesen Superdonnerstag einstimmen: Es ist der Tag, an dem die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten über die Flüchtlingspolitik beraten wird und nicht zuletzt den Widerstand von SPD-Chef Sigmar Gabriel gegen die sogenannten Transitzonen brechen will.
Vor den Abgeordneten ist Merkel sachlich, eigentlich kennen sie die CDU-Chefin nicht anders. Der bayerische Ministerpräsident ist seinerseits betont moderat. Das fällt schon eher auf; und auch, dass der CSU-Chef immerzu von „wir“ redet.
Aufstand? Welcher Aufstand?
Vor einigen Wochen hatten viele für diese Fraktionssitzung noch einen „Aufstand“ prognostiziert. Welcher Aufstand? „Sehr harmonisch“ sei die Sitzung verlaufen, berichtet der Abgeordnete Tankred Schipanski. Am Sonntag hatten sich die Schwesterparteien geeinigt, Schipanski spricht von einer „Roadmap“. Nach der soll sich auch der Dritte im Bunde richten: die SPD.
Die drei Partner sollten den Anspruch haben, dass sie sich einigen können, „vielleicht sogar müssen“, meint Seehofer. Für ihn geht es darum, der Bevölkerung zu zeigen, dass die Koalitionäre handlungsfähig sind. Am Morgen war der CSU-Chef noch weiter gegangen und hatte gewarnt, ein „Staatsversagen“ könne man ernsthaft nicht wollen. Deswegen würden er und Merkel am Donnerstag auf den SPD-Chef einreden, vor dem Treffen mit den Länderchefs und zur Not auch danach in einer weiteren Runde am Abend.
Die Widerstände der SPD sind groß
Es ist die Nacht, in der sie den SPD-Chef politisch vernaschen wollen. Sie erwarten nicht, dass es leicht wird und schnell geht. Die Widerstände der SPD sind groß, die Druckkulisse der Union allerdings auch: Wenn nämlich ein „Staatsversagen“ droht, dann stellt sich auch die Frage nach den „Staatsversagern“.
Seehofer und Merkel bringen die Fraktion mühelos hinter sich. Manche sind selbst überrascht, wie schnell ihre Partei von Defensive auf Offensive umschalten konnte. Noch am Sonnabend war vom „Wir-Gefühl“ noch wenig zu spüren und Union arg zerstritten. Als Merkel und er am Sonntag Gabriel trafen, da hatte Seehofer den Eindruck, dass der SPD-Chef eigentlich den Ringrichter spielen wollte.
Allein, Seehofer und Merkel gaben sich nicht die Blöße, sich vor Gabriel zu streiten. In der Runde wurden keine Beschlüsse gefasst, sondern lediglich Gabriel „informativ aufgerüstet“ (Seehofer) – eine schmeichelhafte Darstellung der Ereignisse. In Wahrheit waren CDU und CSU nicht beschlussfähig. Deswegen verließ der SPD-Chef die Runde unverrichteter Dinge, und die Union brauchte noch viele Stunden, um eine gemeinsame Linie zu finden.
Sollte es Transitzonen geben, dann geht der Erfolg mit der CSU nach Hause
Seither wähnt sie sich wieder obenauf, vor allem Seehofer. Anders als Merkel erzählt er bereitwillig von der stundenlangen „Formulierungsolympiade“ am Sonntag im Kanzleramt und wie die Hausherrin Papier holte und die Sätze formulierte, die letztlich zum Konsens führten. Wer gewonnen habe, sie oder er, sei ihm „piepegal“, beteuert Seehofer, „für das Spiel bin ich zu alt“.
Alles begann damit, dass er ihr zurief: „Angela, wir müssen reden über die Zusammenarbeit.“ Anders als in der Griechenland-Krise fühlte sich die CSU in der Flüchtlingspolitik von der Kanzlerin nicht intensiv genug eingebunden. Merkel konnte mit der Klage umgehen. Am Ende seien sie sich „total einig“ und die Verständigung „absolut super“ gewesen, berichtet Seehofer. Alles sei ohne persönliche Verletzungen gegangen, es sei „nicht einmal laut oder übertrieben emotional“ geworden. Die Gespräche beschreibt der CSU-Chef als wichtig für die Zukunft der Union. Heraus kam ein Forderungskatalog mit 13 Punkten.
Die Transitzonen sind nur ein Punkt und „nicht die finale Lösung“, wie Seehofer selbst einräumt, aber von hoher Bedeutung. Denn: „Ein Land muss schon noch entscheiden können bei bestimmten Personengruppen, wer einreisen darf und wer nicht.“ Diese Zonen wären – direkt an der Grenze – die schnellste Form der Abschiebung. Vor allem wären sie ein Signal, dass Deutschland nicht zu Einwanderung einlädt, sondern sie begrenzen will. Hinzu kommt, dass CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt die erste Politikerin war, die sie gefordert hat. Sollte es Transitzonen geben, geht der Erfolg mit der CSU nach Hause.