Ruhrgebiet. Die Bund-Länder-Beschlüsse zum Nahverkehr pumpen Milliarden ins System. Doch an den städtischen Verkehrsbetrieben fließt der Förderstrom vorbei.

Es sind nur ein paar Sätze. Ein dürrer Abschnitt am Ende eines zehnseitigen Regierungspapiers, in dem es ansonsten in aller Ausführlichkeit um das größte Thema unserer Tage geht: die Flüchtlingskrise. Doch Bund und Länder fanden am Rande des Berliner Flüchtlingsgipfels Ende September wohl noch die Kraft, sich auch auf weitere Milliardenzuschüsse für den Nahverkehr zu einigen.

Wie nebenbei, so scheint es, räumt der dieser Zeitung vorliegende Beschluss mit dem Titel „Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik“ eine der größten Sorgen der Verkehrsbetriebe in ganz Deutschland auf einen Schlag aus dem Weg. Wichtige Fördertöpfe, die der Bund für Unterhalt, Modernisierung und Neubau im ÖPNV mit Milliardensummen bereitstellt, sollen nun bis ins übernächste Jahrzehnt weiter aufgefüllt werden.

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Sie drohten zu versiegen, weil die Verhandlungen über eine Fortschreibung dieser 2019 auslaufenden Programme schon vor Jahren ins Stocken geraten waren. Doch nun, im Sturm der politischen Großwetterlage, öffneten sich unversehens die Finanzschleusen des Bundes. Der Gordische Knoten mit einem Hieb durchschlagen? Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) jedenfalls produzierte umgehend euphorische Schlagzeilen, als er verkündete, dass der Bund bis 2031 die Rekordsumme von 150 Milliarden Euro in den regionalen Schienenverkehr pumpen werde.

Doch die Freude währte nur kurz. Zumindest bei den meisten städtischen Verkehrsbetrieben stellte sich schnell Katerstimmung ein. Denn Bund und Länder einigten sich zwar auf eine Weiterführung von zwei der drei Nahverkehrs-Fördertöpfe. In dem Berliner Beschlusspapier ist ausschließlich von der Fortschreibung der so genannten Regionalisierungsmittel und der Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) die Rede. Doch die kommen nur dem regionalen Schienenverkehr, etwa S-Bahnen, sowie Einzelprojekten zugute. Der Verkehrsverband Rhein Ruhr (VRR) bezahlt aus diesen Töpfen neue Bahnlinien wie den geplanten Rhein-Ruhr-Express RRX. Bislang flossen so 87 Millionen Euro jährlich in die VRR-Kassen.

Über den dritten Topf – die so genannten Entflechtungsmittel – gibt es jedoch noch immer keine Nachfolgeregel. „Berlin war für den kommunalen Nahverkehr ein regelrechter Pyrrhussieg“, sagt Lars Wagner, Sprecher des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen in Anlehnung an das antike Vorbild vom Sieg, der keiner ist. Die Gelder aus den Entflechtungsmitteln seien die „alles entscheidenden, wenn es darum geht, in den Städten Busse und Bahnen am Laufen zu halten.“ Die Verhandlungen über die künftige Finanzierung des örtlichen ÖPNV seien „auf halber Strecke stehen geblieben“.

Jährlich zehn Milliarden Fahrgäste

Nach Angaben des Dachverbandes der Nahverkehrsbetriebe in Deutschland fahren acht der jährlich zehn Milliarden Fahrgäste im deutschen ÖPNV auf innerstädtischen Linien. Wagner: „Was nützt dem ÖPNV-Kunden im Ruhrgebiet der schönste RRX, wenn die städtische Straßenbahn ihn nicht pünktlich dorthin fahren kann, weil die Technik marode ist?“

Der VDV hofft nun auf Nachbesserungen. Es gibt ja noch die Gespräche zum Länderfinanzausgleich. Die Zeit drängt. Laut VDV beläuft sich der Sanierungsbedarf bundesweit auf über vier Milliarden Euro. „Wir erleben deshalb trotz steigender Fahrgastzahlen einen schleichenden Qualitätsverlust bei den Fahrzeugen, der Technik und bei der Infrastruktur“, sagte VDV-Präsident Jürgen Fenske dieser Zeitung. Das ÖPNV-System sei „deutlich unterfinanziert“.

Besonders dramatisch ist die Situation im Ruhrgebiet. Allein die Bogestra (Bochum/Gelsenkirchen/Witten) beziffert die Kosten für dringend nötige Investitionen auf 233 Millionen Euro nur für den Erhalt der Tunnelanlagen und Stellwerke. „Nicht eingerechnet sind die Gelder für den gesetzlich geforderten barrierefreien Ausbau der Haltestellen“, so Bogestra-Sprecherin Sandra Bruns.

Die EVAG in Essen muss mittelfristig 405 Millionen Euro in den Schienenverkehr stecken. Duisburg braucht 200 Millionen Euro für neue Bahnen. Dortmund rechnet mit Sanierungskosten von jährlich bis zu 150 Millionen Euro. Allein der Austausch der in die Jahre gekommenen Rolltreppen wird Millionen fressen. Eine allein kostet 300. 000 Euro. An Dortmunds U-Bahnstationen gibt es 192 Stück.