Köln. War es richtig, die Wahl in Köln wie geplant starten zu lassen – eine Wahl, bei der eine Kandidatin auf der Intensivstation liegt? Ein Kommentar.

Ein Vorort-Wochenmarkt wird zu einem Ort des Schreckens. Die Nachricht von der Messerattacke eines 44-jährigen Mannes auf die Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker ist so grausam wie verstörend. Der erste Gedanke gilt den Verletzten und ihren Angehörigen. Und der Hoffnung, dass die Opfer sich von ihren Verletzungen vollständig erholen.

Was muss in so einem Menschen vorgehen?

Was man bisher über den Täter und seine mutmaßlich fremdenfeindlichen Motive weiß, reicht kaum für eine solide Einschätzung. Man fragt sich, was in einem Menschen vorgehen muss, mit einem Jagdmesser loszuziehen auf eine arglose Kommunalpolitikerin einzustechen. Ein unfassbare Tat.

Die Stadt Köln und die Parteien haben nur wenige Stunden nach dem Attentat verkündet, die Oberbürgermeisterwahl an diesem Sonntag wie geplant abzuhalten. Dies war  eine spontane und zweifellos gut gemeinte Entscheidung - die Demokratie, so war zu hören, dürfe nicht vor Gewalttätern kapitulieren. Aber was ist das für eine Wahl, die zwangsläufig komplett unter dem Eindruck des Attentats stattfindet? Eine Wahl, die eine der Spitzenkandidaten schwer verletzt im Krankenhaus erlebt. Eine Wahl in einer Stadt im Schockzustand.

Nein, eine Verschiebung der OB-Wahl wäre kein Einknicken gewesen; kein Zeichen von Schwäche, sondern eine starke Geste des Respekts und der Solidarität mit den Verletzten. Und ein Aufschub hätte allen Kölnern die Chance gegeben, das Geschehene, das so unbegreiflich erscheint, ausführlich zu verarbeiten. Eine Zeit des Innehaltens statt "business as usual".