Essen. . In den Ballungsräumen werden die Grenzwerte dauerhaft überschritten. Studien warnen seit Jahren vor erheblichen Gefahren durch Diesel-Emissionen

Seit vielen Jahren tauchen sie in der Statistik als hoch belastete Orte auf: der Clevische Ring in Köln, die Euskirchener Straße in Düren, die Corneliusstraße in Düsseldorf oder der Graf-von-Galen-Ring in Hagen. Hier gelangt so viel Stickstoffdioxid in die Luft wie sonst nirgendwo in NRW. 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft ist der in Europa gültige Jahresmittel-Grenzwert. Aber an diesen Straßen erreichen die Jahres-Werte immer wieder 60 Mikrogramm oder sogar mehr.

Die Liste der „Grenzwertüberschreitungen“ beim Landes-Umweltamt Lanuv ist lang, und manche Straßennamen tauchen immer wieder auf: Zum Beispiel die Herner Straße in Bochum (zuletzt 51 Mikrogramm NO2), die Brackeler Straße in Dortmund (52) und die Alfredstraße in Essen (54).

Saubere Antrieb gefordert

Wie kann es sein, dass im Ruhrgebiet, in einer flächendeckenden Umweltzone, solche Werte erreicht werden? Und wie sauber sind moderne Fahrzeuge, die stolze Öko-Namen tragen wie „BlueMotion“, „BlueEfficiency“ oder „Eco Tech“ wirklich?

„Unterm Strich sind die Diesel-Motoren zwar sparsamer geworden, aber es sind eben mehr Diesel im Einsatz, und die Motoren sind im Schnitt größer als früher. Das frisst den Entwicklungs-Vorteil auf“, erklärt Lanuv-Sprecher Peter Schütz.

Neue Antriebskonzepte

Der Zusammenhang zwischen Diesel-Emissionen und den hohen Stickoxid-Werten ist für das NRW-Umweltministerium unstrittig. „Stickstoffoxid-Emissionen aus dem Straßenverkehr stammen zu etwa 20 Prozent aus Ottofahrzeugen. Den Großteil von 80 Prozent erzeugen Diesel-Kfz“, heißt es dort. In NRW gibt es rund 6,4 Millionen Autos mit Ottomotor und rund 2,85 Millionen Diesel-Pkw. Ohne neue, saubere Antriebsformen, erklärt das Landes-Umweltministerium, werden sich die gefährlich hohen Stickoxid-Werte nicht nachhaltig senken lassen.

Stickoxide gehören zu den klassischen Reizgasen. Sie entstehen bei Verbrennungsprozessen in Motoren und Kraftwerken. Das Gas bleibt beim Einatmen in den Atemwegen und kann asthmatische Reaktionen auslösen. In hohen Konzentrationen kann es Lungenentzündungen verursachen. Vor allem für Asthmatiker sei das Gas problematisch. Auch für die Umwelt ist es schädlich. Es kann Pflanzen schädigen und zu vorzeitigem Altern und „Kümmerwuchs“ führen. Zudem sorgt es für eine Versauerung der Böden.

Vier Braunkohlekraftwerke

Das Umweltbundesamt hat jüngst den Stickoxid-Ausstoß durch Autos berechnet. Demnach pusten die Fahrzeuge 78 000 Tonnen des Gases in die Luft der Städte, davon fast drei Viertel aus Diesel-Auspuffen. Das wäre ungefähr so viel, wie vier Braunkohlekraftwerke vom Kaliber Neurath bei Grevenbroich in einem Jahr ausstoßen. „Stickoxid entwickelt sich zum Schadstoff Nummer eins“, so das Umweltbundesamt.

Besonders anfällig für die Auswirkungen sind Kinder. So ergab eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Beispiel Österreich, dass die Schadstoffbelastung pro Jahr zu 21 000 zusätzlichen Fällen von Bronchitis und zu 15 000 zusätzlichen Asthmaerkrankungen bei Kindern führe.

Krebsgefahr durch Abgase

Stickoxide sind nur ein Bestandteil der Dieselabgase. Schon seit Jahren warnt die WHO vor Gesundheitsrisiken. Im Jahr 2012 stufte die Behörde die Abgase in die Gefährdungsklasse von Asbest, Arsen und Senfgas ein und forderte eine drastische Reduzierung der Emissionen. Nach einer Studie der internationalen Agentur für Krebsforschung gilt es als erwiesen, dass die Abgase nicht nur „potenziell krebserregend“ sind, sondern ein Zusammenhang zwischen den Schadstoffen und der Krankheit bestehe.

Doch nicht nur Dieselfahrzeuge pusten die Schadstoffe in die Luft. Die Deutsche Umwelthilfe weist auf die enorme Belastung von Anwohnern und Arbeitern durch Baumaschinen mit Dieselmotoren hin. In den Großstädten würden Baumaschinen inzwischen häufig mehr Schadstoffe verursachen als der Fahrzeugverkehr.