Paris. Ein Sturm der Entrüstung regt sich in Frankreich über den kometenhaften Aufstieg des Präsidentensohnes Jean Sarkozy. Die scheinbar unaufhaltsame und zugleich höchst umstrittene Karriere von „Prince Jean“ könnte sich zu einer delikaten Staatsaffäre ausweiten.
Seitdem die Franzosen ihren letzten Monarchen Kaiser Napoleon III. vor fast 140 Jahren vom Thron jagten, genießen sie die Segnungen der republikanischen Staatsform in vollen Zügen. Angesichts des atemberaubenden Aufstiegs des jungen Präsidentensohnes Jean Sarkozy fühlt sich jedoch so mancher plötzlich in die Vetternwirtschaft der Bourbonen und Bonapartes versetzt. Obwohl gerade erst 23 und nur Jurastudent steht der Beau mit dem klingendem Namen vor einem kometenhaften Karrieresprung.
Umstrittener Aufstieg von "Prince Jean"
Am 4. Dezember soll Jean Sarkozy an die Spitze einer Gesellschaft gewählt werden, die Milliardenumsätze tätigt, indem sie das größte europäische Büro- und Geschäftsviertel, „La Défènse“ vor den Toren der Hauptstadt, managt. Der scheinbar unaufhaltsame und zugleich höchst umstrittene Aufstieg von „Prince Jean“ könnte sich zu einer delikaten Staatsaffäre ausweiten.
Jean Sarkozy, der zweitgeborene Sohn des Präsidenten, stammt aus dessen erster Ehe mit Marie-Dominique Culioli – und nicht, wie viele glauben, aus der Verbindung mit der Carla-Bruni-Vorgängerin Cecilia. Um ein Haar hätte es den groß gewachsenen und charmanten Jüngling ähnlich wie seinen musizierenden Bruder Pierre ins künstlerische Fach verschlagen. Denn Jean, gefesselt von einer großen Leidenschaft für die Schauspielerei, begann zunächst Theaterkurse zu belegen. Doch die Episode auf den Bühnenbrettern sollte nicht lange währen, schon vor zwei Jahren schlug er – wie sein Vater - die harte Laufbahn eines Profi-Politikers ein.
Im feinen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine, der vielleicht reichsten Stadt Frankreichs, gehört der fleißige und hart arbeitende Jungpolitiker bereits seit anderthalb Jahren dem Regionalrat an. Mittlerweile zieht der machtbewusste und durchsetzungsfähige Präsidentenspross sogar schon als Fraktionschef der Regierungspartei UMP die Fäden. Die Parallelen zur Karriere seines Vaters sind frappierend. Auch dieser verdiente sich in Neuilly seine ersten politischen Sporen – zuerst mit 22 als Stadtvertreter und schon sechs Jahre später als Bürgermeister.
Wie der Vater, so der Sohn – das gilt auch im Privatleben. Seitdem Nicolas Sarkozy das singende und sehr wohlhabende Mannequin Carla Bruni ehelichte, berichten Klatschmagazine wie „Paris Match“ ausführlich über das schillernde Paar im Elysée-Palast. Sohn Jean, ganz dem Beispiel seines exzentrischen Bling-Bling-Vaters folgend, trat vor einem Jahr mit der hübschen Millionenerbin Jessica Sebaoun-Darty vor den Traualtar, nachdem er ihr bei der Verlobung einen Diamantring von Tiffany’s an den Finger gesteckt hatte.
Spätestens seitdem der Sarkozy-Clan eindrucksvoll vormacht, zu welchen Höhen die Vermählung von Macht, Schönheit und Geld führen kann, sind gewisse Gemeinsamkeiten der Sarkozys mit den Herrschern des „Ancien Régime“ und „Empire“ unübersehbar. Das politische Magazin „Le Point“ überschrieb bereits im Sommer – übrigens zum großen Missfallen des Elysée – eine Titelgeschichte über Jean Sarkozy mit „Monsieur Le Dauphin“. Als „Dauphin“, wörtlich Delfin, wurden in Frankreich die jeweiligen Thronfolger der französischen Könige bezeichnet.
Vergleiche mit dem mythenhaften Kennedy-Clan
Entwickeln sich die Sarkozys zu einer machtvollen Polit-Dynastie, vergleichbar mit dem mythenhaften Kennedy-Clan in den USA? Die bevorstehende Beförderung Jean Sarkozys an die Spitze der Wirtschaftsförderungsagentur „Epad“ in „La Défènse“ entwickelt sich zu einem Politikum. Der Sturm der Entrüstung ist groß. Der Oppositionspolitiker François Bayrou wittert bereits die „Dekadenz des römischen Imperiums“, andere prangern die Vetternwirtschaft an. Zwar gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass der Staatschef durch gezielte Einflussnahme im Hintergrund die Karriere seines Sohnes befördert. Aber fest steht auch: Allein der prominente Name öffnet Türen, die für Normalsterbliche verschlossen bleiben.
„Was ist die Leistung von Herrn Sarkozy, außer der Sohn seines Vaters zu sein“, empört sich der Sozialist Arnaud Montebourg, der den „Geist der Republik“ akut in Gefahr sieht. Auch sein Fraktionskollege Manuel Valls schäumt vor Wut. „Stellen Sie sich einmal vor, Silvio Berlusconi würde seine Kinder an die Spitze einer öffentlichen Agentur setzen. Was würden wir dann sagen?“, sagte er dem TV-Sender „I-Tele“.
Starken Zuspruch erfährt die Internetseite des Bloggers Christophe Grébert, der den öffentlichen Protest gegen Jean Sarkozys Karrieresprung kanalisiert. Der Andrang im Netz war zwischenzeitlich so groß, dass die Seite abstürzte. Über 55.000 Franzosen hatten sich bis gestern Nachmittag in die Petitionslisten eingetragen, die Jean Sarkozy zum Verzicht auf das Präsidentenamt bei der halbstaatlichen „Epad“-Agentur auffordern. „Er besitzt weder die Kompetenz, noch die Legitimität, um über 200.000 Einwohner, 150.000 Beschäftigte und Millionen von Verkehrsteilnehmern zu bestimmen“, argumentiert Grébert.
Mit einer Mischung aus Verbitterung und Anklage reagierte unterdessen der Mann, der seit Tagen in der Schusslinie steht. „Es ist egal, was ich mache – ich werde ohnehin kritisiert“, sagte Jean Sarkozy pikiert. Immerhin schaltete sich jetzt sein denkbar mächtigster Verbündete in die hitzige Debatte ein: sein Vater. Der schlug sich demonstrativ auf die Seite von „Prince Jean“: „Was in Frankreich zählt, um Erfolg zu haben, ist nicht wohlgeboren zu sein, sondern hart gearbeitet zu haben“, sagte der Präsidentenvater.