Essen. . Sie sind vor Krieg geflohen und erhoffen sich ein besseres Leben. Bis Flüchtlinge allerdings unbefristet bleiben dürfen, ist es ein langer Weg.
Etwa vier Millionen Menschen sind laut dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen vor dem Krieg in Syrien in dessen Nachbarländer geflohen. Ein Großteil flüchtet weiter nach Europa, Hunderttausende haben Deutschland in den letzten Monaten erreicht. Sie wollen sich hier ein besseres Leben aufbauen. Doch bis sie dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen, geschweige denn die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, ist es ein langer Weg.
Nicht alle Menschen, die sich als Flüchtlinge fühlen, gelten auch im Völkerrecht als Solche. Die Genfer Flüchtlingskonvention legt fest, wer ein Flüchtling ist: Ein Mensch, der sich außerhalb seines Heimatlandes aufhält, weil ihm zuhause Verfolgung droht aufgrund seiner Ethnie, Religion oder Nationalität sowie seiner politischen Ansichten oder Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen.
Ob jemand tatsächlich einer verfolgten Religion angehört, ist übrigens nicht ausschlaggebend, sondern dass seine Verfolger ihm diese zuschreiben. Grundsätzlich wird aber im Völkerrecht nur jemand, der zur Flucht gezwungen wird, als Flüchtling anerkannt. Armuts- und Wirtschaftsflüchtlinge zählen demnach nicht dazu.
Was ist das Dubliner Übereinkommen?
Das Dubliner Übereinkommen ist ein Vertrag zwischen der Europäischen Union und Norwegen, Island, der Schweiz und Liechtenstein. In ihm ist das Dublin-Verfahren festgeschrieben, das regelt, welches Land für einen Asylantrag zuständig ist. Es soll sicherstellen, dass jeweils nur ein Staat den Antrag bearbeitet und prüft. Prinzipiell ist der europäische Staat für einen Flüchtling zuständig, dessen Grenze er zuerst überschreitet. Für Kriegsflüchtlinge aus Syrien hat Deutschland das Verfahren vorläufig ausgesetzt. Laut dem Dublin-Verfahren hätte die Bundesrepublik diese Flüchtlinge abweisen müssen.
Wie stellt man einen Asylantrag und was passiert danach?
Wenn ein Flüchtling nach Deutschland kommt, kann er bereits an der Grenze um Asyl bitten, etwa einen Grenzpolizisten. Einmal im Land kann er aber jede Behörde um Asyl ersuchen. Das alleine zählt jedoch noch nicht als offizieller Asylantrag, aber es ist der erste Schritt. Jetzt wird für ihn ein Platz in einer Erstaufnahme-Einrichtung gesucht. Dabei kommt das bundesweite System namens Easy ("Erstverteilung von Asylbegehrenden") zum Einsatz, eine IT-Anwendung, die Flüchtlingen anhand mehrerer Kriterien eine Unterkunft zuteilt. In den Erstaufnahme-Einrichtungen gibt es Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Asylanträge entgegennehmen.
Welche Einrichtung für den Menschen zuständig ist, hängt davon ab, wo noch Kapazitäten sind. Doch nicht jede Außenstelle bearbeitet Anträge aus jedem Herkunftsland. Zudem haben sich die Bundesländer auf Aufnahmequoten verständigt; reiche Länder und solche mit vielen Einwohnern nehmen mehr Flüchtlinge auf. Diese Quoten orientieren sich am sogenannten Königsteiner Schlüssel, der alljährlich anhand der Steuerannahmen und Bevölkerungszahl neu festgelegt wird. Das Bamf hält sich jedoch nicht ausschließlich an diese Quoten, es achtet auch darauf, dass es Landsleute zusammenführt. So bildet es Flüchtlingsschwerpunkte für bestimmte Bundesländer.
In der Bamf-Außenstelle müssen die Flüchtlinge ihren Asylantrag persönlich stellen, aus dem Ausland ist dies nicht möglich. Die Behörde lässt die Menschen dann fotografieren sowie ihre Daten auf- und die Fingerabdrücke abnehmen. Das Bundesamt entscheidet darüber, ob ein Antrag angenommen wird. Zuvor gibt es eine Anhörung mit dem Asylbewerber. Dabei muss der Flüchtling erklären, warum er verfolgt wird und wieso er nicht in seine Heimat zurückkehren kann. Dies ist der Schlüsselmoment im Asylverfahren, der maßgeblich beeinflusst, ob der Flüchtling bleiben darf oder zurückgeschickt wird. Während das Asylverfahren läuft, verlassen die Bewerber nach drei Monaten die Erstaufnahme-Einrichtung und werden in Landkreisen und Städten untergebracht. Ob sie dort in Wohnungen oder Notunterkünften leben, hängt von der Situation vor Ort ab.
Dürfen Flüchtlinge arbeiten?
Ohne Arbeitserlaubnis dürfen Flüchtlinge nicht arbeiten oder eine Ausbildung beginnen. Asylbewerbern (und Geduldeten) ist das Arbeiten in den ersten drei Monaten verboten, und auch danach haben sie kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Freie Jobs müssen zunächst Deutschen, EU-Bürgern und anerkannten Flüchtlingen angeboten werden. Erst nach 15 Monaten fällt für Betroffene dieses Hindernis.
Ein weiteres Hindernis ist die Residenzpflicht, die Flüchtlingen verbietet, bestimmte Regionen zu verlassen, denen sie zugeteilt wurden. Seit Januar 2015 entfällt diese Residenzpflicht für viele Flüchtlinge jedoch, sie dürfen sich nach ihren ersten drei Monaten in Deutschland grundsätzlich frei im Land bewegen. Allerdings kritisiert die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, dass Ausländerbehörden diese Freiheit nach eigenem Ermessen einschränken können.
Wie endet ein Asylverfahren?
Nach derzeit durchschnittlich über fünf Monaten entscheidet das Bamf über den Asylantrag und beendet so das Verfahren. Mehrere Entscheidungen sind möglich:
1. Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling:
Der Flüchtling hat ein Recht auf Asyl nach Artikel 16a des Grundgesetzes, weil er von staatlichen Stellen verfolgt wird. Weitaus häufiger droht Schutzsuchenden jedoch Gefahr durch nichtstaatliche Gruppen, etwa durch die Terrormiliz Islamischer Staat. Dann beschützt sie die Genfer Flüchtlingskonvention. Beide Gruppen erhalten in Deutschland die gleichen Rechte. Sie dürfen zunächst für drei Jahre bleiben und können Sozialleistungen beanspruchen. Nach dieser Zeit überprüft das Bamf, ob sich die Situation in der Heimat geändert hat. Falls nicht, dürfen Betroffene dauerhaft bleiben, erhalten die gleichen Sozialleistungen wie Deutsche und haben uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Familienangehörige können unter erleichterten Bedingungen nachkommen, und die Flüchtlinge haben Anspruch auf einen Integrationskurs - der für den Arbeitsmarkt und sogar eine spätere Einbürgerung wichtig werden kann.
2. Gewährung von subsidiärem Schutz:
Hat ein Menschen keinen Anspruch auf Asyl und wird nicht als Flüchtling gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, kann ihm die Bundesrepublik dennoch sogenannten subsidiären Schutz gewähren. Das ist auch für Staatenlose möglich. Für diesen besonderen Schutz müssen Menschen glaubhaft machen, dass ihnen in ihrer Heimat ernsthafter Schaden droht, etwa Folter oder die Todesstrafe. Zunächst dürfen die Flüchtlinge ein Jahr bleiben und können ihren Aufenthalt um je zwei Jahre verlängern. Leben sie schon sieben Jahre in Deutschland, dürfen sie sich dauerhaft niederlassen, sofern sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und ausreichend Deutsch sprechen. So geschützte erhalten die gleichen Sozialleistungen wie Deutsche, haben vollen Zugang zum Arbeitsmarkt und ihre Familien dürfen unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls nach Deutschland kommen. Zudem haben sie Anspruch auf einen Integrationskurs.
3. Nationales Abschiebeverbot
Kommt der Flüchtling aus einem Land, für das ein Abschiebeverbot besteht, wird er natürlich nicht dorthin abgeschoben. Stattdessen darf er zunächst für ein Jahr bleiben, wenn keine schweren Gründe dagegensprechen (etwa, dass er ein Kriegsverbrecher ist). Er darf sich seinen Lebensunterhalt ebenso verdienen wie ein subsidiär Geschützer (siehe oben), und es gelten die gleichen Bedingungen, wenn er dauerhaft in Deutschland leben will.
4. Der Asylantrag wird abgelehnt
Erkennt die Bundesrepublik einen Menschen nicht als Flüchtling an und gewährt ihm keinen sonstigen Schutz oder stellt für ihn ein Abschiebeverbot fest, dann fordert das Bamf ihn auf, Deutschland zu verlassen. Die Frist beträgt zumeist 30 Tage, kann aber vereinzelt auf sieben Tage gekürzt werden. Will er nicht freiwillig ausreisen, droht dem Betroffenen die Abschiebung.
Was ist ein geduldeter Ausländer?
Nicht jeder Flüchtling, der Deutschland wieder verlassen muss, kann abgeschoben werden. Vielleicht ist er krank und kann nicht reisen, vielleicht fehlt ihm ein Pass oder sein Heimatland ist durch Krieg so zerstört, dass er nicht dorthin zurückkehren kann. Dann wird die Abschiebung ausgesetzt und der Betroffene geduldet. Laut Pro Asyl leben in Deutschland derzeit etwa 86.000 Geduldete und 33.000 Ausreisepflichtige.
Seit August 2015 können geduldete Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft in Deutschland bleiben. Dazu müssen sie mindestens acht Jahre hier leben, Familien mit Kindern dagegen nur sechs. Außerdem müssen sie für ihren Lebensunterhalt aufkommen und Deutsch sprechen. Auch für geduldete Jugendliche, die sich gut integriert haben, wurden die Gesetze gelockert, damit auch sie sich unbefristet in Deutschland aufhalten können: Ihnen reichen vier statt zuvor sechs Jahre Aufenthalt in Deutschland, aber sie sollten in der Regel vier Jahre erfolgreich zur Schule gegangen sein.
Dagegen erlaubt das neue Ausweisungsrecht, dass Menschen, die sich nicht in Deutschland aufhalten dürfen, einfacher abgeschoben werden. "Die neuen Regelungen berücksichtigen stärker als bisher, dass gewaltbereite Extremisten auch mit den Mitteln des Ausländerrechts bekämpft werden können", erklärt die Bundesregierung.
Gibt es durch Flüchtlinge deutlich mehr Verbrechen?
Bei hunderttausenden Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, kommt es vor, dass einige auch Verbrechen begehen. "In den Flüchtlingsheimen kommen viele Menschen auf engsten Raum zusammen, sie sind oft traumatisiert, und Intimsphäre lässt sich nur bedingt sicherstellen, da kommt es natürlich zu Konflikten", sagt der Sprecher der NRW-Polizeigewerkschaft GdP, Stephan Hegger. Dennoch seien diese Konflikte nur selten so schwer, dass es zu Polizeieinsätzen kommt. Zwar sehe man Polizisten häufig bei Flüchtlingsheimen, doch sie würden meist die Gebäude vor Anschlägen schützen, nicht wegen Verbrechen ermitteln. Dass die Kriminalitätsrate in der Umgebung merklich steigt, können weder die Polizeigewerkschaft noch das NRW-Innenministeriums mit Zahlen bestätigen.
Dass die Polizei aber ein Auge zudrückt, wenn Flüchtlinge ein Verbrechen begehen, sei ein Gerücht, heißt es aus dem NRW-innenministerium. "Straftaten von Flüchtlingen werden genauso konsequent verfolgt wie jede andere auch", sagt Behördensprecher Wolfgang Beus. Wer etwa beim Klauen erwischt und verurteilt wird, sitzt jedoch nicht sofort wieder im Flugzeug zurück in seine Heimat. Meist wird er seine Strafe in Deutschland abbüßen.
Haben Straftaten Auswirkung auf laufende Asylverfahren?
„Grundsätzlich haben Straftaten und Gerichtsverfahren keine Auswirkungen auf das laufende Asylverfahren“, sagt die Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BaMF), Natalie Psuja. Allerdings gebe es im Asylverfahren verschiedene Ausschlussklauseln, die verhindern, dass Asyl oder anderer Schutz gewährt werden. So wird beispielsweise ein Ausländer nicht als Flüchtling anerkannt, wenn er in Deutschland rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist.
In der Praxis komme dies aber sehr selten vor, so Psuja, weil sich Gerichtsverfahren für gravierende Straftaten meist länger hinziehen als die knapp fünf Monate, die es derzeit durchschnittlich dauert, bis die Behörde einen Asylantrag bearbeitet hat. Gilt ein Herkunftsland aber nicht als sicher, darf selbst ein schwerkrimineller Flüchtling nicht abgeschoben werden, nachdem er seine Strafe im Gefängnis abgesessen hat.
Vereinzelt ärgern sich Politiker jedoch darüber, dass kriminelle Flüchtlinge nicht abgeschoben werden. "Wer straffällig wird, verwirkt sein Asylrecht", findet etwa die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann, in deren Wahlkreis zwei Flüchtlinge in einem Supermarkt gestohlen und die Mitarbeiter bedroht haben. "Wer extrem straffällig wird, gehört raus aus Deutschland oder ins Gefängnis - und zwar sofort." Außerdem fordert sie schnellere Strafverfahren, denn von der örtlichen Polizei habe sie erfahren, "dass Asylbewerber vorsätzlich straffällig würden, um zu erreichen, dass ihre Abschiebung nicht vollzogen wird und sie durch die Länge der Verfahren dann den Duldungsstatus erhalten“. Allerdings sei dies kein Massenphänomen.
„Diese These ist abenteuerlich“, sagt dagegen GdP-Sprecher Stephan Hegger. „Niemand begeht eine schwere Straftat, um in Deutschland bleiben zu können.“ Das glaubt auch Pro Asyl: „Ich halte das für völlig absurd“, sagt Sprecherin Marei Pelzer. „Das ist kontraproduktiv für den Aufenthalt und jede Perspektive in Deutschland.“ Eine Methode, mit denen Flüchtlinge ihre Abschiebung verhindern wollen, sei dies bestimmt nicht. „Eine Deutsche zu heiraten hilft, aber Straftaten helfen nicht.“
Denn Flüchtlinge verlieren ihre Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht, wenn sie Verbrechen begehen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann nämlich jederzeit Asyl oder den Flüchtlingsstatus aufheben, auch nach vielen Jahren. Ein Grund dafür wären etwa schwere Straftaten.
Welche Änderungen im Asylrecht hat die Bundesrepublik beschlossen?
Aufgrund des großen Flüchtlingszustroms hat die Bundesregierung beschlossen, das Asylrecht deutlich zu verschärfen. Derzeit durchläuft der Gesetzesentwurf noch die parlamentarischen Gremien, laut Bundesinnenministerium ist geplant, dass die Änderungen bereits zu großen Teilen am 1. November in Kraft treten.
Das umfangreiche Reformpaket sieht in seinen wichtigsten Punkten vor, dass Albanien, der Kosovo und Montenegro neben weiteren Balkanstaaten künftig als sichere Herkunftsländer gelten. Dadurch können Menschen aus diesen Ländern schneller in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Sollten Flüchtlinge von dort dennoch Schutz brauchen, dürfen sie ausschließlich in Erstaufnahme-Unterkünften wohnen.
Generell sollen Asylbewerber demnächst sechs statt bislang drei Monate in diesen Unterkünften wohnen und möglichst kein Geld, sondern vor allem Sachleistungen bekommen. Ist die Bundesrepublik für einen Flüchtling nach dem Dublin-Verfahren nicht zuständig, möchte sie lediglich eine Fahrkarte und Proviant für die Rückreise bezahlen, ansonsten keine weiteren Leistungen.
Außerdem möchte die Regierung den Bundesländern ermöglichen, freiwillig Gesundheitskarten für Asylbewerber einzuführen, mit denen sie dann direkt zum Arzt gehen können. Flüchtlinge, die Ärzte sind, sollen in den Unterkünften helfen, andere Asylbewerber medizinisch zu versorgen.
Wer gute Aussichten hat, dauerhaft in Deutschland zu bleiben, soll Integrationskurse besuchen dürfen. Das Reformpaket soll außerdem bürokratische Hürden verringern, wenn neue Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden sollen.
Welche Voraussetzungen gibt es für die deutsche Staatsbürgerschaft?
Die Bundesregierung bemüht sich derzeit, Flüchtlingen Perspektiven zu bieten. Dazu gehört auch, dass sie ein Anrecht bekommen, Deutsche zu werden. Dazu müssen sie folgende Voraussetzungen erfüllen:
- ein unbefristetes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung
- ein bestandener Einbürgerungstest, mit dem sie Kenntnisse über deutsche Gesetze und die Gesellschaft belegen
- ein rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland seit acht Jahren; ein Integrationskurs kann dies um ein Jahr verkürzen, besondere Integrationsleistungen sogar auf sechs Jahre
- der Antragsteller muss belegen, dass er seinen Lebensunterhalt sowie den für Familienangehörige ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II bestreiten kann
- ausreichende Deutschkenntnisse
- keine Verurteilung wegen einer Straftat
- Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes
- Verlust oder Aufgabe der alten Staatsangehörigkeit; bei manchen Herkunftsländern gibt es Ausnahmen