Berlin. . Die Koalition streitet über grenznahe Transitzonen für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive. Experten warnen vor großen Haftanlagen im Grenzland.

Rund 10 000 Flüchtlinge treffen zurzeit täglich in Deutschland ein – trotz der wieder eingeführten Grenzkontrollen. Um diesen Zulauf effektiver zu ­begrenzen, will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Transitzonen an den Grenzen einrichten: Menschen ohne Bleibeperspektive sollen erst gar nicht ins Land gelassen werden.

Flüchtlingsexperten reagierten gestern entsetzt auf die Pläne. Transitzonen würden „zu großen Haftlagern an den Grenzen führen“, warnte Günter Burkhardt, der Geschäftsführer von Pro Asyl, gegenüber dieser ­Zeitung. „Masseninhaftierungen im grenznahen Raum? Das ist die hässliche Seite von Deutschland.“

Transitzonen im Niemandsland, Schnellverfahren an der bayrischen Grenze – nach deutschem Recht wäre ein solches Vorgehen im Moment nicht erlaubt. Doch der ungebremste Zustrom von Flüchtlingen setzt die Politik unter Druck. „Das wird unsere Politik gravierend ­ändern“, gestand Angela Merkel (CDU) gestern in Berlin ein.

Innenminister der Länder fordern Stopp des Zuzugs

Die Innenminister der Union erhöhten den Druck am Mittwoch erneut deutlich: Sie fordern eine sofort spürbare Eindämmung des Flüchtlings­zuzugs. Allein im September seien mehr als 270 000 Menschen nach Deutschland gekommen, in den nächsten Wochen sei eine weitere Zunahme zu erwarten. Deshalb müsse man kurzfristige Maß­nahmen finden, verlangten die Innenminister von Bayern, Berlin, Hessen, Saarland Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Im Notfall müsse Deutschland Asylsuchende bereits an der Grenze abweisen.

Transitzonen mit beschleunigten Verfahren, wie sie Innenminister de Maizière jetzt vorschlägt, gibt es bisher nur an Flughäfen. Deutschland müsste aber nur eine EU-Richtlinie umsetzen, um Asylverfahren bereits an der Landesgrenze – damit vor der Entscheidung über die Einreise – einzuführen. Diese Richtlinie legt fest, dass Verfahren in solchen Transitzonen in einer „angemessenen Frist“ entschieden werden müssen. „Ist innerhalb von vier Wochen keine Entscheidung ergangen, so wird dem Antrag­steller die Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gestattet.“

Geschlossene Unterkunft

Der Vorschlag des Innenministers werde sich am bisherigen Flughafenverfahren orientieren, sagte ein Sprecher dieser Zeitung. Flücht­linge, die per Flugzeug aus einem sicheren Herkunftsland oder ohne gültige Papiere einreisen, werden in einer geschlossenen Flüchtlingsunterkunft auf dem Flughafen festgehalten, bis über ihre Einreise entschieden ist. An den Flughäfen Frankfurt/Main, München, Düsseldorf, Hamburg und Berlin-Schönefeld entscheiden Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) binnen 48 Stunden, ob Betroffene einreisen dürfen, bis endgültig über ihren Asylantrag entschieden wird.

Auch bei den Transitzonen an den Landesgrenzen sollen nach Willen des Innenministers „unzulässige und offensichtlich unbegründete Verfahren“ schnell zum Abschluss gebracht und eine rasche Rückführung ermöglicht werden. Analog zum Flughafenver­fahren könnten Menschen aus sicheren Herkunftsländern oder ohne gültigen Pass zurückgeschickt werden.

3757 Kilometer Transitzone?

Das betrifft viele Flücht­linge: Ein Drittel aller Schutz­suchenden habe keinen Pass dabei, erklärte gestern der neue Leiter des Bamf, Frank-Jürgen Weise. Auch deshalb seien nach Schätzungen 290 000 Flüchtlinge in Deutschland noch nicht registriert.

Der Innenminister weiß, dass Transitzonen für die SPD ein schwerer Brocken sind. Der Koalitionspartner steht dem skeptisch gegenüber. Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka hält den Vorschlag für wirklichkeitsfremd: „Was in einem umzäunten Flug­hafengebäude funktionieren mag, lässt sich auf 3757 Kilometer deutscher Landesgrenze nicht übertragen.“ Die Flüchtlinge ­würden sich dann Wege über die grüne Grenze suchen – wodurch noch mehr Menschen unregistriert einreisten.