Washington/Moskau. Der amerikanische und der russische Präsident treffen in New York zusammen. Im Mittelpunkt steht die Zukunft von Syrien und seinem Machthaber Assad.

Amerikas gnadenloser Vereinfacher war mit seiner Bewertung der enormen militärischen Aktivitäten Russlands in Syrien bei einem Wahlkampf-Auftritt in Oklahoma schnell bei der Hand. „Soll Wladimir Putin den Islamischen Staat doch allein bekämpfen“, sagte Donald Trump, der Umfragen-Liebling unter den republikanischen Anwärtern für die Präsidentschaftswahl 2016.

Dass die Dinge komplizierter liegen, wird sich heute in New York zeigen. Am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen kommen die Präsidenten Amerikas und Russlands nach einjähriger Sendepause, ausgelöst durch Moskaus Kriegstreiberei auf der Krim und in der Ukraine, zu einem ersten Abtasten zusammen.

Obama (der Putin für einen kaum berechenbaren Gauner hält) will wissen, was der Kreml-Chef in Syrien im Schilde führt. Putin (der in Obama ein entscheidungsschwaches Zahnpasta-Lächeln sieht) will zurück an den Tisch der globalen Entscheider. Dabei wird die Zukunft des syrischen Machthabers Baschar-al-Assad im Mittelpunkt stehen. Er gilt als hauptverantwortlich für den Bürgerkrieg seit 2011 mit 250 000 Toten und fast zehn Millionen Flüchtlingen.

Während die US-Regierung kategorisch den Rückzug Assads fordert und zuletzt lediglich Flexibilität andeutete, was den Zeitpunkt anbelangt, plant Russland weiter mit ihm. In einem gestern ausgestrahlten 60-Minuten-Interview mit dem US-Fernsehsender CBS räumte Wladimir Putin Zweifel an den Motiven der Verlegung von Kampfjets und anderem Kriegsgerät an die syrische Küste aus. Auf die Frage, ob er Assad retten wolle, gab der Kreml-Chef zurück: „Da haben sie sehr recht.“

In seiner ersten Rede seit zehn Jahren vor den UN wird Putin am Montag kurz nach Obamas Ansprache wiederholen, was seit Tagen aus Moskau zu hören ist: Ohne die „gewählte Regierung Assad kann das Terror-Netzwerk Islamischer Staat nicht bezwungen werden“. Mit Verweis auf die verfahrene Situation in Libyen und im Irak wird Putin erläutern, dass auf Regime-Wechseln, die Amerika erzwungen hat, kein Segen liegt. Stattdessen wird er einem Szenario das Wort reden, in dem Assad mit dem moderaten Teil der Opposition zu einer durch Wahlen neu legitimierten Machtaufteilung kommt. Was Jahre dauern kann. Eine Vorstellung, die in den USA wie in Europa auf keine Gegenliebe stößt.

Putins Engagement in Syrien läuft in Washington unter dem Stichwort Ablenkungsmanöver. Russland-Experten registrieren, dass die Ukraine-Krise fast vollständig aus den Medien in Russland verschwunden ist. „Mit der Intervention in Syrien hat Putin den Fokus verschoben, das politische Haltbarkeitsdatum Assads verlängert und sich für das eigene Publikum als global einflussreicher Problemlöser dargestellt“, sagen Fachleute der Georgetown-Universität. Dort hält man einen russischen Truppeneinsatz in Syrien gegen den IS für unwahrscheinlich. „Das blutige Desaster der 80er Jahre in Afghanistan ist in Russland noch nicht vergessen.“

Dass Putin es mit seiner Initiative für eine breite, nicht allein von den USA geführte Koalition gegen den auch russische Einflusszonen im Kaukasus bedrohenden IS ernst meint, zeigt ein neues Mini-Bündnis. Gemeinsam mit Irak, Iran und Syrien hat Moskau ein „Informationszentrum“ ins Leben gerufen. Es könnte der „Brückenkopf“ gegen westliche Bestrebungen werden, Assad zu stürzen, sagen US-Regierungsmitarbeiter.

Gehör findet Putin, weil aus Amerika nur Hiobsbotschaften kommen: Die Bomben-Kampagne der USA aus der Luft hat das Terrornetzwerk trotz 10 000 getöteten Kämpfern nicht hinreichend geschwächt. Der Versuch, eine schlagkräftige syrische Opposition aufzubauen, die kurzfristig den IS und mittelfristig auch Assad bekämpft, ist fehlgeschlagen. Als „Sargnagel“ gilt die Nachricht, dass von den USA ausgebildete und mit Waffen versorgte Rebellen in Syrien Kriegsgerät in großem Stil an El Kaida nahestehende Terroristen weitergegeben haben.