Düsseldorf. Nicht nur die Kommunen haben ihre liebe Not mit dem Ergebnis des Berliner Flüchtlingsgipfels. NRW-Grüne fürchten Zerreißprobe.

Am Tag danach saß Monika Düker schon früh am Schreibtisch und feilte an einem Erklärungsschreiben für die Basis. Die 52-jährige Landtagsabgeordnete ist die profilierteste Asylrechts­expertin der NRW-Grünen und ahnte, dass das am späten Donnerstagabend beschlossene Bund-Länder-Paket zur Bewältigung der Flüchtlingskrise für Teile ihrer Partei schwer akzeptabel sein dürfte.

Die rot-grüne Landesregierung will im Bundesrat schließlich für die Einstufung Albaniens, Montenegros und des Kosovo als „sichere Herkunftsstaaten“ stimmen. Das war für die NRW-Grünen lange ­unvorstellbar.

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Noch im vergangenen Jahr musste Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) viel Prügel von den Düsseldorfer Parteifreunden einstecken, weil er in letzter Minute die Länderkammer-Mehrheit für Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als „sichere Herkunftsstaaten“ besorgt hatte.

Erstmals können Arbeitnehmer aus dem Balkan einreisen

Der Umgang mit Asylsuchenden aus den Westbalkan-Staaten bleibe zwar „unnötige Symbolpolitik“, die keine Beschleunigung der ­Verfahren bringe, erklärte Düker. Doch die Grünen reichten dafür dennoch die Hand, weil im Gegenzug „konkrete Verbesserungen“ ­erreicht worden seien.

So sähen die Bund-Länder-Vereinbarungen erstmals einen breiten Einstieg in die legale Arbeitsmigration aus dem Balkan vor. Eine Altenpflegerin aus dem Kosovo könne demnächst nach Deutschland umsiedeln, sofern sie einen Tarifarbeitsvertrag in einer Pflegeeinrichtung vorweise, rechnete Düker vor. Die „Bluecard“-Regelung sah eine ­solche Arbeitsmigration bislang nur für Hochqualifizierte mit ­gutem Einkommen vor.

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Droht eine grüne Zerreißprobe? „Es handelt sich um ein Paket, in dem auch Punkte enthalten sind, die grünen Vorstellungen zuwiderlaufen“, räumte Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) ein. Es überwiegt in der rot-grünen Koalition aber offenkundig die Erleichterung, dass der Bund seine ­Finanzhilfen für die Flüchtlingsunterbringung deutlich ausweitet.

500 Millionen für Wohnungsbau

Die wichtigsten Punkte der Berliner Einigung: Noch in diesem Jahr fließt eine weitere Milliarde Euro an die Länder, ab 2016 dann eine Pauschale von 670 Euro pro Monat und Flüchtling. Der Bund richtet „Wartezentren“ ein, um die Ver­teilung der Flüchtlinge auf die Länder besser zu koordinieren.

Asyl­bewerber ohne Aussicht auf Bleiberecht sollen erst gar nicht mehr auf die Kommunen verteilt, werden auch gesetzlichen Verschärfungen ausgesetzt sein. Das Taschengeld wird verstärkt durch Sachleistungen ersetzt. Ein massiver Personalaufbau beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll die Verfahren auf drei Monate pro Asylbewerber beschränken.

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Der soziale Wohnungsbau wird mit 500 Millionen Euro aus Berlin angekurbelt. Für die ­Betreuung unbegleiteter Minderjähriger schießt der Bund 350 Millionen Euro zu. Und eben die Ausweitung der ­„sicheren Herkunftsstaaten“, um schneller abschieben zu können.

„Ich bin zufrieden“, sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Die Kommunalvertreter aus NRW blieben skeptisch: „Ein Durchbruch ist das nicht“, sagte Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD).

Kommunen wollen die volle Pauschale aus Berlin

Er pocht darauf, dass die Flüchtlingspauschale von 670 Euro ohne ­Abzüge an die Kommunen durchgeleitet wird. Recklinghausens ­Sozialdezernent Georg Möllers (CDU) verlangte eine „klare Aus­sage des Landes, dass es die tatsächlich anfallenden Flüchtlingskosten, die sich aus dem Asyl­bewerberleistungsgesetz ergeben, komplett übernimmt“.

Der Städte- und Gemeindebund warnte die rot-grüne Landesregierung, Geld von der Flüchtlings­pauschale abzuzweigen. Die Kommunen blieben zudem weiterhin auf den Kosten für geduldete und kranke Asylbewerber sitzen.